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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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behördliche Vorschriften, Dokumentationen, Tätigkeitsberichte. Ein Fach mit Dokumenten der Weltbank. Sie zog wahllos einen Ordner heraus. »Strategy for Sub-Saharan Development of Water Resources 1997«- Sie stellte ihn zurück, als sie sah, daß das Dokument kaum geöffnet und gelesen worden war. Mehrere Fächer mit schwedischen, englischen, portugiesischen Zeitschriften. In den übrigen Fächern drängten sich Bücher. Lars Häkanssons Bibliothek war ungeordnet, schlampig. Agatha Christie in abgenutzten Umschlägen neben Fachliteratur und einer unendlichen Anzahl unterschiedlicher Afrikana. Sie fand ein Buch über die gefährlichsten Giftschlangen in Ostafrika, altbewährte Rezepte für schwedische Hausmannskost und eine Sammlung blaßbrauner pornographischer Fotos von der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf einem Foto mit der Jahreszahl 1856 saßen zwei Mädchen auf einer Holzbank, Möhren zwischen die Beine gesteckt.
    Sie stellte das Buch zurück, dachte an die Erzählungen von Köchen, die ins Essen spuckten oder urinierten, bevor es zu den feinen Gästen hinausgetragen wurde. Wenn ich könnte, würde ich seine Festplatte vollkotzen. Jedesmal, wenn er den Computer anmachte, würde ihm der Geruch in die Nase steigen, ohne daß er wüßte, was es wäre.
    Zwischen zwei Büchern im Bücherregal ragte ein Briefumschlag einer schwedischen Bank hervor. Er war aufgeschlitzt, sie nahm ihn heraus und sah, daß er eine Gehaltsabrechnung enthielt. Sie war sprachlos und machte voller Zorn einen Überschlag. Bei ihrem gegenwärtigen Lohn müßte Celina fast vier Jahre arbeiten, um die Summe zu erreichen, die Lars Ha-kansson jeden Monat erhielt. Wie war es möglich, über solche Abgründe haltbare Brücken zu schlagen? Was konnte ein Mann wie Lars Hakansson überhaupt begreifen von dem Leben, das Celina führte?
    Louise merkte, daß sie in Gedanken mit Artur zu sprechen begann. Da sprach sie lauter, weil er schlecht hörte. Nach einer Weile wechselte sie den Gesprächspartner und wandte sich an Aron. Sie saßen am Tisch, wo die roten Papageien sich um die Brotkrumen scharten. Aber Aron hatte keine Ruhe, wollte nicht zuhören. Schließlich führte sie das Gespräch mit Henrik weiter. Er war dicht neben ihr. Tränen traten ihr in die Augen, sie schloß die Lider und dachte, daß er wirklich dasein würde, wenn sie sie wieder aufzumachen wagte. Aber natürlich war sie allein im Zimmer. Sie zog ein Rollo herunter, um das Sonnenlicht abzuhalten. Von der Straße drang Hundebellen herein, Wachmänner, die lachten. All dieses Lachen, dachte sie. Ich habe es schon am ersten Tag hier bemerkt. Warum lachen arme Menschen so viel mehr als ein Mensch wie ich? Sie stellte die Frage der Reihe nach Artur, Aron und Henrik. Aber keiner ihrer drei Ritter antwortete. Sie waren alle stumm.
    Sie schaltete den Computer ein, fest entschlossen, Henriks zwei Briefe zu löschen. Sie schrieb auch einen Brief an Lars Hakansson, in dem sie Julieta schwedisch sprechen und erzählen ließ, was sie von einem Mann wie ihm hielt. War er nicht ausgesandt, denen, die arm waren, zu helfen?
    Dann versuchte sie systematisch, verschiedene Dateien zu öffnen. Überall wurde sie von Sperren abgewiesen. Lars Ha-kanssons Computer enthielt Panzertüren. Sie war außerdem überzeugt davon, daß sie Spuren zurückließ. Er würde all ihr Klicken und ihre Kämpfe mit den Türen verfolgen können. Überall wurde sie von einer erhobenen Hand aufgehalten, die das Paßwort verlangte. Sie versuchte auf gut Glück die naheliegendsten, seinen Namen vorwärts, seinen Namen rückwärts, verschiedene Kombinationen von Abkürzungen. Natürlich öffnete sich keine Tür. Sie streute nur weiter Spuren hinter sich aus.
    Louise erschrak, als Celina plötzlich fragte, ob sie Tee haben wolle.
    »Ich habe Sie nicht gehört«, sagte Louise. »Wie können Sie so leise gehen?«
    »Senhor mag keine unnötigen Geräusche. Er liebt eine Stille, die es hier in Afrika eigentlich nicht gibt. Aber er schafft sie sich selbst. Er will, daß Graça und ich uns lautlos bewegen, barfuß.«
    Louise lehnte ab. Celina verschwand auf ihren lautlosen Füßen. Louise starrte auf den Bildschirm des Rechners, der sich beharrlich weigerte, seine Türen zu öffnen. Bergwerksstollen, dachte sie, ohne Licht, ohne Karten. Ich komme nicht an ihn heran.
    Sie wollte den Computer schon ausschalten, als sie noch einmal an Henrik und seine Besessenheit von Kennedys verschwundenem Hirn dachte. Was konnte sich, seiner Meinung nach,

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