Keraban Der Starrkopf
wessen Auftrage handelte er?
– Das wissen wir nicht.
– Und wohin war die Tartane bestimmt?
– Das wissen wir ebenso wenig, Ahmet, erklärte Amasia. Aber Du bist ja nun bei mir… nun hab’ ich Alles vergessen!…
– Ich werd’s aber niemals vergessen!« rief der Seigneur Keraban.
Wenn er sich in diesem Augenblick umgedreht hätte, würde er einen Mann entdeckt haben, der erst an der Hütte lauschte und dann schnell entfloh.
Das war Yarhud, der einzig Ueberlebende von seiner Mannschaft. Urplötzlich und ohne von Jemand bemerkt worden zu sein, entschwand er nach der entgegengesetzten Richtung von Atina.
Der Maltesercapitän hatte Alles gehört. Er wußte nun, daß Ahmet in Folge eines unbegreiflichen Zufalls sich gerade beim Schiffbruch der »Guidare« so in der Nähe befand, um Amasia dem Tode entreißen zu können.
Als er die letzten Häuser der Ortschaft hinter sich hatte, blieb Yarhud noch einmal stehen.
»Der Weg von Atina bis zum Bosporus ist weit, sagte er, und ich werde schon den Auftrag des Seigneur Saffar auszuführen wissen!«
Fünftes Capitel.
Wovon man auf dem Wege von Atina nach Trapezunt spricht und was man dabei sieht.
Daß die beiden Verlobten glücklich waren, sich auf diese Weise wenigstens wieder gefunden zu haben; daß sie Allah für diese Hilfe der Vorsehung dankten, die Ahmet nach dem Orte geführt hatte, wo der Sturm die Tartane zerschellen lassen sollte; daß sie eine aus Freude und Entsetzen gemischte Erregung empfanden welche einen unauslöschlichen Eindruck hinterließ, ist wohl unnöthig weiter auszumalen.
Man begreift auch, daß Ahmet und sein Onkel Keraban nicht weniger es kaum erwarten konnten zu hören, was seit ihrer Abreise aus Odessa vorgefallen sei, und daß Amasia mit Hilfe Nedjebs sich sofort bequemen mußte Alles bis in’s Eingehendste zu berichten.
Natürlich waren den beiden jungen Mädchen andere Kleider beschafft worden; auch hatte sich Ahmet in des Costüm des Landes gekleidet, und jetzt saßen Alle, Herren und Diener, auf niederen Schemeln vor den knisternden Flammen und bekümmerten sich nicht um den Sturm, der noch immer tobte.
Mit welcher Erregung vernahmen Alle, was in der Villa Selim, wenige Stunden, nachdem der Seigneur Keraban sie auf die Straßen des Chersones geschleppt, vorgefallen war. Nein, nicht um dem Mädchen kostbare Stoffe zu verkaufen, hatte Yarhud in der kleinen Bai dicht unter der Wohnung des Banquiers Selim Anker geworfen, sondern um einen abscheulichen Raub auszuführen, und Alles ließ vermuthen, daß die Sache von langer Hand vorbereitet gewesen sei.
Nach Ergreifung der jungen Mädchen war die Tartane sofort ausgelaufen. Was aber weder die Eine noch die Andere sagen und sie auch nicht einmal wissen konnten, war, daß Selim ihre Hilferufe noch gehört, und daß der unglückliche Vater in dem Augenblick, wo die »Guidare« an den letzten Felsen der Bai vorübersegelte, von einem, vom Deck der Tartane abgefeuerten Schusse getroffen worden und zusammengestürzt war – vielleicht todt – jedenfalls so schwer verletzt, daß er Niemand von seinen Leuten zur Verfolgung der Räuber auszusenden vermochte.
Ueber ihre Behandlung an Bord hatten die beiden jungen Mädchen nicht viel zu berichten. Der Capitän wie seine Leute erwiesen Amasia, ebenso wie Nedjeb, eine Zuvorkommenheit, welche wohl einer einflußreichen Empfehlung zuzuschreiben war. Die bequemste Cajüte des kleinen Fahrzeugs war ihnen eingeräumt worden. Dort saßen und schliefen sie. Sie konnten dabei nach Belieben auf das Deck gehen, bemerkten aber, daß sie dann scharf beobachtet wurden, wahrscheinlich für den Fall, daß sie, von der Verzweiflung getrieben, es vorgezogen hätten, den Tod zu suchen, um dem ihrer harrenden Schicksale zu entgehen.
Schmerzlich berührt hörte Ahmet ihre Schilderungen. Er fragte sich, ob der Capitän bei dieser Entführung wohl auf eigene Rechnung gehandelt habe, um seine Gefangenen auf den Märkten Kleinasiens zu verkaufen – wo ein solcher Menschenhandel auch jetzt noch nicht zu den Seltenheiten gehört – oder ob er im Auftrage irgend eines reichen Anatoliers gehandelt haben möge.
Hierauf konnte freilich, obwohl diese Fragen ihnen direct vorgelegt wurden, weder Amasia noch Nedjeb eine Antwort geben. Allemal, wenn sie in ihrer Verzweiflung bittend und weinend Yarhud darüber befragt hatten, schlug dieser es ab, sie hierüber aufzuklären. Sie wußten also weder für wen der Capitän der Tartane gehandelt habe, noch – was Ahmet
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