Keraban Der Starrkopf
schlafen, so gut es geht und morgen, wenn wir irgend ein Transportmittel gefunden haben, begeben wir uns wieder auf den Weg.«
Sie bemerkten aber, daß sie scharf beobachtet wurden. (S. 269.)
Die Gesellschaft machte es sich in dem Hause des Fischers so bequem als möglich und befand sich hier mindestens ebenso gut, wie in einem der Gasthäuser von Atina.
Nach den letzten erschütternden Ereignissen bedurften Alle recht sehr einige Stunden der Ruhe, freilich träumte Van Mitten, daß er noch immer im Wortwechsel mit seinem unfügsamen Freunde wäre, und dieser, daß er sich Auge in Auge gegenüber dem Seigneur Saffar befände, auf den er alle Verwünschungen Allahs und seines Propheten herabrief.
Ahmet allein konnte keine Minute ein Auge schließen. Sein Drang, zu erfahren, aus welchem Grunde Amasia durch Yarhud entführt worden sei, beunruhigte ihn jetzt weniger wegen der Vergangenheit, als wegen der Zukunft. Er fragte sich, ob mit dem Schiffbruch der »Guidare« alle Gefahr vorüber sei. Zwar mochte er glauben, daß kein Mann von der Besatzung das Unglück überlebt habe, aber er wußte eben nicht, daß der Capitän mit heiler Haut daraus hervorgegangen war. Der Unfall mußte unzweifelhaft bald weiter bekannt werden, und der Mann, in dessen Auftrag Yarhud gehandelt hatte – ohne Zweifel ein Vornehmer, vielleicht irgend ein Pascha von Anatolien – konnte darüber nicht lange in Unkenntniß bleiben. Konnte es ihm aber schwer werden, das junge Mädchen wieder aufzuspüren?
Auf dem Wege durch Lasistan. (S. 276.)
War nicht zu befürchten, daß in der menschenarmen Gegend zwischen Trapezunt und Scutari, welche sie durchreisen mußten, sich die Gefahren für sie nur häufen, ihnen Schlingen gelegt oder sie aus dem Hinterhalte überfallen würden?
Ahmet nahm sich also vor, scharf Wache zu halten; er wich nicht mehr von Amasias Seite; er wollte die Führung der kleinen Karawane in der Hand behalten und im Nothfall einen sicheren Führer miethen, der sie auf dem kürzesten Wege längs der Küste leiten konnte.
Gleichzeitig beschloß Ahmet, den Banquier Selim, den Vater Amasias, von Allem zu unterrichten, was sich seit der Entführung Amasias zugetragen hatte. Zunächst mußte Selim erfahren, daß Amasia gerettet war und daß er dafür Sorge tragen werde, zur bestimmten Zeit, das heißt, binnen vierzehn Tagen, in Scutari einzutreffen. Ein von Atina oder Trapezunt abgesandter Brief hätte aber bis Odessa zu lange Zeit gebraucht. Ahmet entschied sich also, ohne seinem Onkel etwas davon zu sagen – dem das Wort Telegramm ja alle Haare emporgesträubt hätte – an Selim eine Depesche durch den Draht von Trapezunt abgehen zu lassen. Er wollte ihm auch andeuten, daß noch nicht alle Gefahr beseitigt sei und daß Selim der kleinen Karawane so schnell wie möglich entgegenkommen solle.
Am folgenden Morgen, als Ahmet das junge Mädchen wieder begrüßte, theilte er ihr sein Vorhaben wenigstens theilweise mit, ohne der Gefahren zu erwähnen, denen sie vielleicht ausgesetzt sein könne. Amasia fand in der ganzen Sache nur das Eine, daß ihr Vater so schnell als thunlich beruhigt werden sollte. Deshalb konnte sie es selbst kaum erwarten, nach Trapezunt zu kommen, um das Telegramm ohne Vorwissen des Onkels Keraban abgesendet zu sehen.
Nach einigen Stunden Schlaf waren Alle auf den Füßen, Keraban ungeduldiger als je, Van Mitten im Voraus allen Launen seines Freundes nachgebend, während Bruno in den zu weit gewordenen Kleidern Alles zusammenschnürte, was von ihm noch übrig geblieben war, und seinem Herrn nur noch mit einsilbigen Lauten antwortete. – Zuerst hatte Ahmet Atina durchsucht, einen wenig bedeutenden Ort, der – wie sein Name angiebt – früher das Athen des Pontus Euxinus hieß. Auch jetzt fanden sich daselbst noch einige dorische Säulen, die Reste eines Tempels der Pallas. Wenn diese Ruinen aber Van Mitten interessirten, so ließen sie doch Ahmet völlig kalt.
Wie viel lieber hätte dieser ein weniger unbequemes Fuhrwerk aufgefunden, als den Karren, den sie an der russisch-türkischen Grenze erlangt hatten. Leider mußten sie wieder mit der Araba vorlieb nehmen, welche den beiden jungen Mädchen eingeräumt wurde. In Folge dessen sahen sich Herren und Diener genöthigt, Pferde, Esel oder Maulesel zu benützen, um Trapezunt zu erreichen.
Wie beklagte sich jetzt der Seigneur Keraban, wenn er der an der Eisenbahn von Poti zertrümmerten Postchaise gedachte, und wie drohte und warf er dem
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