Keraban Der Starrkopf
vorzüglich zu erfahren wünschte – wohin sie die »Guidare« hätte bringen sollen.
Die Fahrt selbst war zuerst ziemlich gut, aber langsam von Statten gegangen, wegen der Windstille, welche mehrere Tage hintereinander angehalten hatte. Sie hatten dabei deutlich genug beobachtet, wie sehr diese Verzögerungen dem Capitän, der seine Ungeduld gar nicht zu bemänteln sachte, unangenehm waren. Die beiden jungen Mädchen hatten daraus geschlossen – und Ahmet und der Seigneur Keraban stimmten ihnen hierin zu – daß Yarhud sich verpflichtet haben mochte, zur bestimmten Zeit irgendwo einzutreffen… aber wo?… das blieb natürlich unklar, obwohl es nur eine Hafenstadt Kleinasiens sein konnte, nach welcher die »Guidare« bestimmt gewesen war.
Endlich verschwand die Windstille und die Tartane konnte ihren Weg nach Osten wieder aufnehmen, oder, wie Amasia sagte, die Richtung nach Sonnenaufgang. So segelten sie ohne Unfall zwei Wochen lang hin; manchmal kreuzten sie entweder Segelschiffe, Kriegs-oder Handelsfahrzeuge, oder auch schnelle Dampfer, welche in regelmäßigen Fahrten die ungeheure Fläche des Schwarzen Meeres durchschneiden; dann zwang sie der Capitän aber, in ihre Cajüte hinabzusteigen, wahrscheinlich aus Furcht, sie könnten ein Nothsignal geben, das bemerkt würde.
Die Witterung wurde darauf bedrohlich, dann schlecht, endlich abscheulich. Zwei Tage vor dem Scheitern der »Guidare« erhob sich ein heftiger Sturm. Amasia und Nedjeb erkannten aus der Wuth des Capitäns, daß er sich gezwungen gesehen hatte, seinen Cours zu ändern, und daß der Wind ihn dahin trieb, wohin er gar nicht wollte. So kam es, daß die beiden jungen Mädchen sich fast glücklich schätzten, von dem Sturme fortgeführt zu werden, da er sie gleichzeitig von dem Ziele entfernte, dem die »Guidare« eigentlich zusteuerte.
»Ja, liebster Ahmet, sagte Amasia am Ende ihrer Erzählung, wenn ich des Schicksals gedachte, das mir bestimmt schien, mich von Dir getrennt sah und dahingeschleppt, wo Du mich nie wieder gesehen hättest – war mein Entschluß schon gefaßt!… Nedjeb kannte ihn!… Sie hätte mich nicht hindern können, ihn auszuführen; und bevor die Tartane das gefürchtete Ufer erreichte… hätte ich mich in die Wogen gestürzt. Da kam der Sturm! Was uns zu vernichten drohte, hat uns gerettet… Du, mein Ahmet, erschienst mir inmitten der wüthenden Wellen… nein… das werd’ ich nimmermehr vergessen!
– Liebste Amasia, antwortete Ahmet, Allah wollte es, daß Du gerettet… und durch mich gerettet wurdest… Aber wenn ich meinem Onkel nicht zuvorgekommen wäre, würde er auch nicht gezögert haben, Dir Hilfe zu bringen.
– Bei Mohammed, das will ich glauben! rief Keraban.
– Und ein so starrköpfiger Mann sollte ein so gutes Herz haben! murmelte Nedjeb fast wider Willen.
– Ah, die Kleine da wagt es, sich an mir zu reiben! versetzte Keraban. Und doch, liebe Freunde, habt Ihr meinem Starrsinn zuweilen etwas Gutes zu verdanken.
– Zuweilen? fragte Van Mitten sehr ungläubig. Ich möchte doch gerne erfahren…
– Gewiß, Freund Van Mitten! Hätte ich den Launen Ahmets nachgegeben und wäre auf der Eisenbahn durch die Krim und den Kaukasus gefahren, statt der Straße längs der Küste zu folgen, wäre Ahmet dann im Moment des Schiffbruches bei der Hand gewesen, um seine Verlobte zu retten?
– Nein, gewiß nicht! versicherte Van Mitten; doch, Freund Keraban, wenn Sie ihn nicht genöthigt hätten, Odessa zu verlassen, so wär’ es zweifelsohne gar nicht zu jener Entführung gekommen und…
– Aha, so betrachten Sie die Sache, Van Mitten! Sie wollen darüber, wie es scheint, mit mir Streit…
– Nein, beileibe nicht!… fiel ihm Ahmet in’s Wort, der schon herausfühlte, daß der Holländer bei einem in dieser Weise heraufbeschworenen Wortwechsel nicht obsiegen könne. Uebrigens ist es schon etwas spät, um noch das Für und Wider zu erörtern, und es scheint mir besser, wir suchen einige Ruhe….
– Um morgen weiterreisen zu können, sagte Keraban.
– Morgen, lieber Onkel, morgen?… wandte Ahmet ein. Amasia und Nedjeb müssen doch wohl…
– Herr Neffe, rief Keraban, nun bist Du wohl gar nicht mehr so eilig, na, dem Du die kleine Amasia an Deiner Seite hast!… Doch naht das Ende des Monats heran… das entscheidende Datum, mit dem ein nicht zu vernachlässigendes Interesse verbunden ist… Du wirst also einem alten Kaufmann gestatten etwas praktischer als Du zu sein. Versuche also jeder zu
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