Keraban Der Starrkopf
selbst. In den benachbarten Paschaliks Kleinasiens bilden sie eben das landesübliche Gericht. Dieselben wurden übrigens zur beliebigen Auswahl gesalzen und frisch aufgetragen; doch gab es auch substantiellere Speisen, denen man herzhaft zusprach. Dazu herrschte unter den Tischgenossen eine ungetrübte Heiterkeit, welche ja stets die beste Würze eines Mahles abgiebt.
»Nun, Van Mitten, fragte Keraban, beklagen Sie immer noch den Starrsinn – den ganz gerechtfertigten Starrsinn – Ihres Freundes und Correspondenten, der Sie gezwungen hat, an einer solchen Reise theilzunehmen?
– Nein, Keraban! Nein! anwortete Van Mitten, ich würde sie, wenn es Ihnen beliebt, von vorn anfangen.
– Wir werden’s ja sehen, Van Mitten! – Und Du, meine kleine Amasia, was denkst Du von dem bösen Onkel, der Dir Deinen Ahmet entführte?
– Daß er, was ich von jeher wußte, der beste aller Menschen ist! sagte das junge Mädchen.
– Und der fügsamste! setzte Nedjeb hinzu. Es scheint mir, der Seigneur Keraban setzt seinen Kopf lange nicht mehr so auf, wie früher.
– Sehr gut! Die kleine Thörin will meiner spotten! rief Keraban mit gutmüthigem Lächeln.
– O, nein, Seigneur, nein!
– Und doch, Du Kleine!… Bah, hast ja ganz recht!… Ich bestreite es gar nicht; ich habe den Trotzkopf abgelegt! Selbst meinem Freunde Van Mitten würde es nicht mehr gelingen, mich zu reizen!
– O… das müßte man doch erst sehen!… meinte der Holländer, ungläubig den Kopf schüttelnd.
– Das ist schon so gut wie gesehen. Van Mitten!
– Wenn man Sie auf gewisse Capitel brächte?
– Sie täuschen sich! Ich schwöre…
– Schwören Sie nicht!
– Und doch!… Ich werde darauf schwören!… erwiderte Keraban, der etwas lebhafter wurde. Warum sollte ich nicht schwören können?
– Weil es oft sehr schwer fällt, einen Schwur zu halten.
– Weniger schwer, als den Mund zu halten, Van Mitten, denn es liegt auf der Hand, daß Sie ietzt nur, um mir zu widersprechen…
– Ich, Freund Keraban?
– Ja, Sie!… Und wenn ich wiederholt erkläre, entschlossen zu sein, niemals eigensinnig bei etwas zu beharren, so bitte ich auch Sie, das zu thun und mir nicht aus bloßem Trotz zu widersprechen…
– Ja, ja, Sie haben Unrecht, Herr Van Mitten, sagte Ahmet, dieses Mal sehr Unrecht.
– Vollständig Unrecht!… fügte auch Amasia hinzu.
– Ganz und gar Unrecht!« erklärte selbst Nedjeb.
Da der würdige Holländer die Majorität gegen sich sah, hielt er es für besser, zu schweigen.
Doch war der Seigneur Keraban, trotz Allem was vorgefallen war, trotz der erhaltenen Lectionen vorzüglich auf dieser so unbesonnen unternommenen Reise, die so schlecht hätte ablaufen können, wirklich so umgewandelt, wie er es glauben machen wollte? Das mußte sich ja zeigen; im Grunde jedoch huldigten eigentlich Alle der Ansicht Van Mitten’s. Daß die Auswüchse des Starrsinns an diesem Eisenkopfe so völlig verschwunden wären, durfte man wohl mit Recht bezweifeln.
»Nun vorwärts! sagte Keraban nach beendigter Mahlzeit. Das war ja ein nicht zu verachtendes Abendessen, aber ich weiß doch ein noch besseres.
– Und welches? fragte Van Mitten.
– Das, welches uns in Scutari erwartet!«
Gegen vier Uhr ging die Reise weiter, und etwa um acht Uhr Abends gelangte die Gesellschaft ohne Unfall nach dem kleinen Flecken Rize, dessen Uferrand dicht mit Klippen übersäet ist. Hier mußten sie die Nacht in einem recht erbärmlichen Khan verbringen, so daß die jungen Mädchen es vorzogen, unter der Plane der Araba zu bleiben. Vor Allem kam es indeß nur darauf an, daß Pferde und Maulesel sich von ihrer Anstrengung erholen konnten, und an frischem Stroh und Hafer fehlte es glücklicherweise nicht. Auch der Seigneur Keraban und die Uebrigen mußten sich mit einem Lager auf frischem Stroh begnügen Die nächste Nacht sollten sie ja in Trapezunt zubringen und daselbst jede Bequemlichkeit finden, welche das beste Hôtel der Stadt ihnen zu bieten vermochte.
Ahmet fragte gar nicht danach, ob er ein gutes oder schlechtes Lager bekommen könnte. Fortwährend von gewissen Gedanken geplagt, hätte er doch nicht schlafen können. Er fürchtete immer für die Sicherheit des jungen Mädchens und sagte sich, daß mit dem Untergange der »Guidare« noch nicht alle Gefahr vorüber sein werde. So wachte er denn, gut bewaffnet, an der Araba vor dem Khan.
Ahmet that sehr wohl daran; er hatte Ursache für seine Befürchtung.
Im Laufe des Tages nämlich hatte Yarhud
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