Keraban Der Starrkopf
ausdrückte, als er ihr seine wärmsten Glückwünsche darbrachte.
Die eigentliche Hochzeit sollte später in Kurdistan gefeiert werden, wo dann mehrere Wochen andauernde Feste dieselbe begleiteten. Doch würde es Van Mitten’s Aufgabe sein, sich der kurdischen Sitte anzubequemen oder wenigstens einen Versuch dazu zu machen. Wenn die junge Gattin nämlich daselbst vor dem Hause ihres Mannes erscheint, tritt dieser ihr vor der Thür unerwartet entgegen, umfaßt sie mit den Armen, hebt sie auf die Schultern und trägt sie so bis nach dem Gemach, welches sie fortan bewohnen soll.
Man bezweckt damit ihre mädchenhafte Scheu zu schonen, denn es soll nicht den Anschein haben, als beträte sie ganz freiwillig eine fremde Wohnung. Wenn ihm dieser glückliche Moment nahte, würde Van Mitten sich vor einem Verstoße gegen die Landessitten zu hüten haben; doch das lag zum Glück noch in weitem Felde.
Hier erhöhten die Verlobungsfeierlichkeiten ganz naturgemäß die Feste, welche zur Feier der Himmelfahrt des Propheten, jener
Eilet-ul-my’râdy
, celebrirt werden, die gewöhnlich auf den 29. des Monats Redjeb fallen. Diesmal waren sie, in Folge eigenthümlicher Umstände und aus Rücksichten einer politischreligiösen Concurrenz, von dem ersten Iman des Paschaliks auf einen etwas früheren Termin verlegt worden.
Am Abend drängten sich in dem dazu vorzüglich geeigneten größten Palaste der Stadt Tausende und Abertausende von Gläubigen zur Begehung der Ceremonie zusammen, welche sie aus allen Theilen des mohammedanischen Asiens nach Trapezunt geführt hatte.
Die edle Sarabul konnte sich’s nicht versagen, mit ihrem Verlobten bei dieser Gelegenheit öffentlich zu erscheinen. Der Seigneur Keraban, sein Neffe, die beiden jungen Mädchen und die beiden Diener aber wußten ebenfalls die wenigen noch übrigen Abendstunden nicht besser zu verbringen, als daß sie sich den Pomp dieses wunderbaren Schauspiels mit ansahen.
Wunderbar war es thatsächlich; wie hätte es auch anders sein können hier im Morgenlande, wo die Träume dieser Welt sich zu verwirklichen scheinen? Die Einzelzüge dieses zu Ehren des Propheten veranstalteten Festes wiederzugeben, würde eher ein Pinsel unter Aufwand aller Farben der Palette geeignet sein, als sie sich mit der Feder schildern lassen, selbst wenn man dazu die Wort-und Bilderfülle nebst dem Schwung der Sprache der größten Dichter der Welt entlehnte.
»Der Reichthum ist in Indien zu Hause, sagt ein türkisches Sprichwort, der Geist in Europa, der Pomp aber bei den Ottomanen!«
Und in der That ging die Entwickelung dieser dichterisch geschmückten Fabeldarstellung mit geradezu unbeschreiblichem Pomp vor sich, den die graziösen Töchter Kleinasiens noch durch den Reiz ihrer Tänze und den Zauber ihrer Schönheit erhöhten. Die Fabel beruht auf der der christlichen nachgeahmten Legende, daß das Paradies bis zum Tode des Propheten im Jahre 10 der Hedschra – 632 nach der christlichen Zeitrechnung – allen Gläubigen, die vorläufig in Erwartung des Propheten im unermeßlichen Weltraume schlummerten, verschlossen gewesen sei. An jenem Tage erschien dieser zu Pferde, auf dem »Elborak«, dem Hippogryphen, der seiner an Jerusalems Thore harrte; dann verließ sein wunderbares Grab diese Erde, stieg gen Himmel und blieb zwischen Zenith und Nadir mitten in dem Glanze des Islamparadieses schweben. Darauf erwachten Alle, dem Propheten zu huldigen; die den Gläubigen versprochene Aera ewigen Glückes brach endlich an, und Mohammed erhob sich in blendender Apotheose, während die Sterne des arabischen Himmels, in Gestalt unzähliger Houris, die glanzvolle Stirn Allahs umkreisten.
Mit einem Wort, dieses Fest glich der Verkörperung eines Traumbildes desjenigen Dichters, der die Poesie des Morgenlandes tiefstinnerlich empfunden, wenn er, gelegentlich der verzückten Physiognomien der Derwische bei deren eigenartig wirbelndem Tanze sagt:
»Was erblicken sie in den Visionen, die sie durchschauern? Die smaragdenen Wälder mit Rubinenfrüchten, die Berge von Weihrauch und Myrrhe, die diamantenen Kioske und die aus Perlen gewebten Zelte des Paradieses ihres Mohammed!«
Zehntes Capitel.
In welchem die Helden dieser Erzählung weder einen Tag, noch eine Stunde verlieren.
Am folgenden Tage, dem 18. September, als noch die ersten Sonnenstrahlen die hohen Minarets der Stadt vergoldeten, zog eine kleine Karawane durch eines der Thore der befestigten Umfassung und sandte dem poesievollen Trapezunt einen
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