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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Formen fehlte natürlich auch nicht, und Nizib konnte sich darin ein Gütchen thun, ohne einen Verstoß gegen die Religionsgesetze befürchten zu müssen. Diesmal konnte ihn Bruno nicht um seinen Antheil an dem Abendessen betrügen.
    Der kleine Flecken, eigentlich nur ein Dorf, wurde am Morgen des 19. September wieder verlassen. Im Laufe des Tages kam man durch Zepe an seinem sehr beengten Hafen vorüber, wo höchstens drei bis vier Handelsschiffe von geringem Tiefgang Aufnahme finden können. Dann gelangte man, immer unter Leitung des Führers, der ohne Widerspruch die inmitten der ausgedehnten Ebenen oft kaum bezeichneten Straßen vollkommen kannte, nach einer Etappe von fünfundzwanzig Lieues nach Kerasun.
    Kerasun ist am Fuße eines Hügels, auf einem Doppelabsatze der Küste erbaut. Dieses alte Pharnacea, wo die Zehntausend zur Wiedergewinnung von Kräften zehn Tage lang rasteten, bietet mit den Ruinen seines, den Eingang zum Hafen beherrschenden Schlosses einen sehr pittoresken Anblick.
    Hier hätte der Seigneur Keraban leicht große Mengen von Pfeifenrohren in Kirschholz erwerben können, welche einen beträchtlichen Handelsartikel bilden.
    In dem Paschalik gedeiht gerade der Kirschbaum vorzüglich, und Van Mitten glaubte seiner Verlobten die wichtige historische Thatsache mittheilen zu müssen, daß der Proconsul Lucullus gerade von Kerasun einst die ersten Kirschpflanzen geschickt habe, welche dann in Europa eingeführt wurden.
    Sarabul hatte von dem berühmten Weinkenner noch niemals reden gehört und schien den gelehrten Abhandlungen Van Mitten’s nur sehr mäßiges Interesse zuzuwenden. Immer unter der Knute des stolzen Weibes, stellte er den armseligsten Kurden dar, den man sich nur denken konnte. Und doch hörte Keraban, ohne daß man hätte unterscheiden können, ob er scherzte oder nicht, nicht auf, ihn über die Art und Weise, wie er sein neues Costüm trug, zu beglückwünschen – wobei Bruno freilich nur mit den Achseln zuckte.
    »Ja, Van Mitten, ja! wiederholte Keraban, das steht Ihnen vorzüglich, dieser Rock, der Chalwar, der Turban, und um ein vollständiger Kurde zu sein, fehlt Ihnen nur noch der große buschige Schnurrbart, wie ihn der Seigneur Yanar trägt.
    – Ich habe niemals einen Schnurrbart gehabt, antwortete Van Mitten.
    – Sie haben keinen Schnurrbart? rief Sarabul.
    – Er hat keinen Schnurrbart? wiederholte der Seigneur Yanar in möglichst verächtlichem Tone.
    – Wenigstens kaum, edle Sarabul.
    – Nun, Sie sollen bald einen haben, erklärte die befehlerische Kurdin, und ich nehme es auf mich, Ihnen einen solchen wachsen zu lassen.
    – Armer Herr Van Mitten, murmelte die junge Amasia, ihn mit einem freundlichen Blicke tröstend.
    – Schön, da wird es noch ‘was zum Lachen geben!« rief Nedjeb lustig, während Bruno den Kopf schüttelte, wie ein unglückverkündender Vogel.
    Am nächsten Tage, dem 20. September, ließ die kleine, jetzt vom herrlichsten Wetter begünstigte Gesellschaft, nachdem sie zuerst den Spuren einer, der Sage nach von Lucullus zur Verbindung Anatoliens mit den armenischen Provinzen angelegten Straße gefolgt, das Dorf Aptar hinter sich, und dann gegen Mittag, den Flecken Ordu. Dieser Fahrweg verlief längs des Saumes prächtiger Wälder, die sich an den Hügeln hinaufziehen und in denen die verschiedensten Baumarten vorkommen, wie Eichen, Weißbuchen, Ulmen, Ahorn. Platanen, Pflaumen und Oelbäume einer Bastardart, Ellern, Silberpappeln, Granaten, weiße und schwarze Maulbeerbäume, Nußbäume und Sycomoren.
    Hier gedeiht auch der Weinstock in üppigster Fülle und umschlingt, wie der Epheu in kälteren Klimaten, die Bäume bis zum höchsten Gipfel, außerdem aber giebt es noch eine Menge Gesträuche, wie Weißdorn, Berberitzbeerbüsche, Haselstauden, Maulbeerbüsche, Hollunder, Jasmin, Tamarinden, ferner unzählige niedrigere Pflanzen, Seefarren mit weißen Blüthen, Iris, Rhododendrons, Scabiosen, gelbliche Narcissen, Asclepiadeen, Malven, Tausendguldenkraut und wilde Tulpen, ja sogar Tulpen, welche Van Mitten nicht ansehen konnte, ohne daß seine Liebhaberei für dieselben wieder erwachte, obgleich dieser Anblick eher geeignet war, ihm eine unangenehme Erinnerung aus seiner ersten Ehe zurückzurufen. Jetzt freilich bot ihm die erste Frau Van Mitten eine wünschenswerthe Garantie gegen die Eheansprüche der zweiten Er schätzte sich glücklich, ja zehnmal glücklich, daß er schon einmal unauflöslich mit einer Gattin verbunden war.
    Nach

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