Keraban Der Starrkopf
Ungeduld erwartete, bis sie sicher sein konnte, daß vor Ablauf weniger Stunden ihr Schicksal in der Villa Selim bekannt sein mußte.
»Ein Brief hätte zu viel Zeit gebraucht, um nach Odessa zu gelangen, sagte Ahmet, außerdem fürchte ich noch immer…«
Ahmet unterbrach sich bei diesem Worte.
»Du fürchtest, mein lieber Ahmet?… Was wolltest Du sagen? fragte Amasia etwas verwundert.
– Nichts, beste Amasia, versicherte Ahmet, nichts!… Ich wollte nur Deinen Vater erinnern, bei unserer Ankunft in Scutari anwesend zu sein, und womöglich noch etwas eher, um alles Nöthige zu besorgen, damit unsere Vermählung keinerlei Aufschub erleide.«
In Wahrheit freilich deutete Ahmet, der noch immer neue Entführungsversuche fürchtete, im Fall die Complicen Yarhud’s erfahren hatten, was seit dem Schiffbruche der »Guidare« vorgegangen war, dem Banquier Selim an, daß alle Gefahr vielleicht noch nicht beseitigt wäre; um Amasia aber für den letzten Theil der Reise nicht noch zu ängstigen, hütete er sich wohl, ihr zu gestehen, welcher Art seine Befürchtungen seien – Befürchtungen übrigens, die ja nur auf unbestimmten Ahnungen fußten.
Amasia dankte Ahmet für seine Aufmerksamkeit, ihren Vater durch eine Depesche beruhigt zu haben – selbst auf die Gefahr hin, wegen Benützung des elektrischen Drahtes von dem Onkel Keraban schwere Vorwürfe zu bekommen.
Und was wurde inzwischen mit Van Mitten?
Der Freund Van Mitten wurde eben, stark gegen seinen Willen, der glückliche Verlobte der edlen Sarabul und der beklagenswerthe Schwager des Seigneur Yanar.
Wie hätte er das auch abzuwenden vermocht? Eines Theils wiederholte ihm Keraban, daß er sein Opfer nun auch völlig darbringe, da der Richter sie sonst alle Drei noch in’s Gefängniß werfen lassen könne, was den Ausgang der Reise uneinbringlich gefährden müsse, daß diese Heirat, wenn sie auch in der Türkei gälte, wo ja Vielweiberei herrscht, doch für Holland null und nichtig wäre, daß er also ganz nach Belieben der Gatte einer Frau in seiner Heimat oder der mehrerer Frauen im Reiche des Padischah sein könnte. Van Mitten’s Wahl war indessen schon getroffen; er zog es vor, überhaupt gar keine Frau zu haben.
Auf der anderen Seite standen hier ein Bruder und eine Schwester, denen es nicht in den Sinn kam, ihre Beute loszulassen. Es war also nur klug, ihnen jetzt nachzugeben, um sie hoffentlich an den Ufern des Bosporus heimlich zu verlassen, was sie ja verhindern mußte, die Rechte eines Schwagers und einer Gattin zu beanspruchen.
Van Mitten fiel es auch gar nicht ein, sich zu widersetzen, im Gegentheil fügte er sich geduldig den Ereignissen, wie sie kamen.
Glücklicherweise hatte der Seigneur Keraban das Versprechen erlangt, daß der Seigneur Yanar und seine Schwester ihn vor der Trauung in Mossul bis nach Scutari begleiten wollten, um der Vermählung Amasias und Ahmets beizuwohnen, und daß die Kurdenbraut mit ihrem Verlobten erst zwei oder drei Tage später nach dem Lande ihrer Ahnen abreisen würde.
Obwohl Bruno meinte, daß seinem Herrn für dessen unglaubliche Schwachheit nur ganz recht geschähe, bedauerte er es doch aufrichtig, ihn unter das Joch dieser schrecklichen Frau gebeugt zu sehen. Gleichzeitig brach er aber auch in ein schallendes Gelächter aus – ein Gelächter, das auch Keraban, Ahmet und die beiden Mädchen kaum zurückhalten konnten – als er Van Mitten zur Stunde, wo die Verlobung feierlich besiegelt werden sollte, im Costüm jenes bezüglich seiner Volkstracht auffallenden Landes vermummt sah.
»Was, Sie, Van Mitten, rief Keraban, sind Sie’s wirklich, der hier als reiner Orientale erscheint?
– Ja, ich bin’s, Freund Keraban.
– Als Kurde?
– Sie sagen es.
– Ah wahrhaftig das steht Ihnen nicht schlecht, und ich bin überzeugt, daß Sie nach einiger Gewohnheit diese Tracht weit bequemer finden werden, als Ihre engen europäischen Kleider.
– Sie sind sehr liebenswürdig, Freund Keraban.
– Aber zum Teufel, Van Mitten, da machen Sie doch kein so saures Gesicht! Sagen Sie sich, es wäre heute Carneval und Sie trügen nur eine Verkleidung zu einer Verheiratung im Spaße!
– Ach, die Verkleidung ist es nicht, die mich am meisten beunruhigt, antwortete Van Mitten.
– Und was denn?
– Nun, die Verheiratung!
– Bah! Eine provisorische Heirat, Freund Van Mitten, versicherte Keraban, und Madame Sarabul wird noch theuer dafür bezahlen müssen, nicht als Witwe weiter leben zu wollen. O, wenn Sie ihr
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