Keraban Der Starrkopf
Führer, als ich noch in den Wäldern Anatoliens arbeitete, wenigstens zwanzig Mal hier durchgekommen.
– Es scheint mir, daß hier nicht zu zaudern ist, sagte Keraban, und daß die Ersparniß von zwölf Lieues an dem Wege, der noch vor uns liegt, die Mühe lohnt, seine Route zu ändern!«
Ahmet hörte ihm zu, ohne etwas zu sagen.
»Was denkst Du darüber, Ahmet?« fragte der Seigneur Keraban, sich an seinen Neffen wendend.
Ahmet antwortete nicht. Er hatte sicherlich einen gewissen Verdacht gegen den Führer, einen Verdacht, der allerdings, je näher das Ziel herankam, sich nicht ohne Grund weiter vermehrte.
In der That wirkte das eigenthümliche Auftreten dieses Mannes, seine gelegentliche unerklärliche Abwesenheit, wobei er der Karawane vorauseilte, die Sorge, sich immer abseits zu halten, wenn gerastet wurde, wobei er vorgab, die Thiere nach Möglichkeit unterbringen zu müssen, die eigenthümlichen, fast verdächtigen Blicke, die er Amasia zuwarf, eine Wachsamkeit, welche vor Allem dem jungen Mädchen zu gelten schien, auf Ahmet in nicht besonders beruhigender Weise. Auch er verlor diesen Führer niemals aus den Augen, den man in Trapezunt angenommen, ohne zu wissen, wer er war und woher er kam. Sein Onkel Keraban war freilich nicht der Mann dazu, seine Befürchtungen zu theilen, und es wäre gewiß schwierig gewesen, ihm als Thatsache annehmbar zu machen, was bisher ja wirklich nur noch eine Ahnung, ein Verdacht gewesen war.
»Nun, Ahmet? fragte Keraban noch einmal. Ehe ich mich über diesen Vorschlag des Führers entscheide, erwarte ich Deine Antwort. Was denkst Du von diesem Wege?
– Ich denke, lieber Onkel, daß wir uns bis jetzt an den Ufern des Schwarzen Meeres ganz wohl befunden haben, und daß es vielleicht eine Unklugheit sein könnte, dieselben zu verlassen.
– Warum aber, Ahmet, da ja unser Führer die Wege im Binnenlande, die er uns zu folgen vorschlägt, vollkommen kennt? Der Gewinn an Zeit wäre wohl der Mühe werth.
– Wenn wir die Pferde einigermaßen antreiben, lieber Onkel, gelangen wir gewiß noch bequem…
– Ganz recht, so sprichst Du, weil Amasia uns begleitet! rief Keraban. D och wenn sie uns jetzt in Scutari erwartete, wärest Du gewiß der Erste, unsere Fahrt zu beschleunigen!
– Das wäre möglich, lieber Onkel!
– Nun also, ich, der ich Deine Interessen vertrete, Ahmet, ich meine, je eher wir ankommen, desto besser. Wir können immer noch eine Verzögerung erleiden, und da mit dem Wechsel unseres Weges zwölf Lieues gewonnen werden können, gilt es, nicht zu zögern.
– Gut, lieber Onkel, da es Dein Wunsch ist, will ich bezüglich dieses Gegenstandes nichts weiter einwenden…
– Nicht, weil es mein Wunsch ist, sondern weil Du keine wirklichen Einwürfe hast und mir es allzuleicht wäre, Dich zu widerlegen!«
Ahmet antwortete nicht. Jedenfalls mußte der Führer die Ueberzeugung erlangt haben, daß der junge Mann diese von ihm vorgeschlagene Aenderung der Reiseroute nicht ohne einige Hintergedanken betrachtete. Ihre Blicke kreuzten sich einen Augenblick, aber lange genug, um sich gegenseitig zu prüfen. Ahmet beschloß nun, desto mehr auf der Hut zu sein. Für ihn war der Führer ein Feind, der nur auf die Gelegenheit wartete, ihn räuberischer Weise zu überfallen Uebrigens konnte der Entschluß, die Fahrt abzukürzen, den Reisenden nur gelegen sein, die von Trapezunt aus kaum jemals ordentlich ausgeschlafen hatten. Van Mitten und Bruno hatten Eile, in Scutari zu sein, um der peinlichen Situation ein Ende gemacht zu sehen; der Seigneur Yanar und die edle Sarabul, um mit ihrem Schwager und Verlobten auf einem Küstendampfer nach Kurdistan zurückzukehren; Amasia, um endlich mit Ahmet vereinigt zu werden, und Nedjeb, um den Festlichkeiten bei der Hochzeit beizuwohnen.
Der Vorschlag wurde also angenommen. Man beschloß, während der Nacht vom 27. auf den 28. September zu ruhen, um am folgenden Tage eine desto größere Wegstrecke zurückzulegen.
Jedenfalls war noch an einige Maßregeln zu denken, auf die der Führer hinwies. Vorzüglich kam es darauf an, sich für achtundvierzig Stunden mit Lebensmitteln zu versehen, denn in der zu durchfahrenden Gegend fanden sich weder Flecken noch Dörfer, und man würde da weder Khans, noch Dukhans oder Herbergen an der Straße finden. Also galt es, sich mit allen etwa nöthigen Bedürfnissen zu versorgen. Zum Glück konnte, was man zu haben wünschte, am Cap Kerpe, freilich gegen ziemlich hohen Preis, erlangt werden, und es
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