Keraban Der Starrkopf
war sogar ein Esel zu kaufen, der das Uebergewicht an Proviant fortschleppen konnte.
Der Seigneur Keraban hatte eine gewisse Schwäche für Esel – vielleicht aus Sympathie mit deren Starrköpfigkeit – und der, den er am Cap Kerpe erhandelte, gefiel ihm außerordentlich.
Es war ein kleines, aber kräftiges Thier, das wohl dieselbe Last wie ein Pferd, das heißt, gegen neunzig »Oks«, oder mehr als hundert Kilogramm tragen konnte, einer jener Esel, wie man sie in diesen Gegenden Anatoliens zu Tausenden antrifft, wo sie Getreide nach den verschiedenen Häfen der Küste tragen.
Dieser lebhafte, muntere Langohr hatte künstlich gespaltene Nasenlöcher, um desto leichter die Fliegen vertreiben zu können, die sich in seine Nase verirrten. Das gab ihm ein ganz lustiges Aussehen, eine Art heiterer Physiognomie, und er hätte wohl den Namen des »lachenden Esels« verdient. Sehr verschieden von den armen kleinen Thieren, deren Th. Gautier erwähnt, beklagenswerthe Geschöpfe mit schlaffen Ohren und magerem, fast blutigem Rückgrat, war dieser hier wahrscheinlich ebenso starrsinnig, wie der Seigneur Keraban. An Proviant brauchte man nichts anderes, als ein Lämmerviertel, das auf der Stelle zubereitet werden sollte, neben »Burghul«, eine Art Brot, das vorher in Ofenwärme aus gedörrtem Käse mit Zusatz von Butter hergestellt wird, für eine so kurze Fahrt. Ein kleiner zweirädriger Karren, an den der Esel gespannt wurde, mußte zum Transport desselben ausreichen.
Am nächsten Tage, am 28. September, waren Alle kurz vor Sonnenaufgang schon auf den Füßen. Die Pferde wurden sofort an die Talikas gespannt, in denen ein Jeder seinen gewohnten Platz einnahm. Ahmet und der Führer bestiegen ihre Reitpferde und nahmen die Spitze der Karawane ein, der der Esel vorausging, und man setzte sich Bewegung.
Eine Stunde später war die weite Fläche des Schwarzen Meeres hinter den hohen Ufern verschwunden. Vor den Reisenden dehnte sich nun eine leicht wellenförmige Landschaft aus.
Die Fahrt gestaltete sich nicht besonders beschwerlich, obwohl die Wegsamkeit der Straße manches zu wünschen übrig ließ, was dem Seigneur Keraban Gelegenheit gab, seine ganze Litanei von Klagen über die Sorglosigkeit der ottomanischen Behörden loszulassen.
»Man sieht schon, daß wir uns ihrem neumodischen Constantinopel nähern!
– Die Straßen in Kurdistan sind unvergleichlich besser, bemerkte der Seigneur Yanar.
– Das glaub’ ich gern, erwiderte Keraban, und in dieser Hinsicht wird mein Freund Van Mitten Holland nicht zu bedauern haben!
– In keiner Beziehung!« erklärte die edle Kurdin mit Bestimmtheit, deren rechthaberischer Charakter sich bei jeder Gelegenheit zeigte.
Van Mitten hätte gern den Teufel seinem Freund Keraban auf den Hals geschickt, der wirklich ein Vergnügen daran zu finden schien, ihn zu necken.
Binnen achtundvierzig Stunden sollte er jedoch seine volle unbestreitbare Freiheit wieder erlangt haben, und so ließ er dessen Scherze unbeachtet hingehen.
Am Abend hielt die Karawane bei einem elenden Dorfe, einem Haufen von Hütten, welche kaum Saumthieren Obdach gewähren konnten. Hier vegetirten einige Hundert arme Leute, die von wenig Milchspeise, schlechtem Fleische und Brot lebten, dem mehr Kleie als Mehl beigemischt war. Ein widerlicher Geruch erfüllte hier die Luft; derselbe rührte von dem »Tezek«, einer Art künstlichem Torf her, der aus Mist und Koth besteht, und das einzige Brennmaterial in diesen Gegenden bildet, wo manchmal selbst die Mauern der Hütten aus demselben aufgeführt werden.
Es erwies sich als ein Glück, daß die Lebensmittelfrage im Voraus geordnet worden war. In dem armseligen Dorfe, dessen Bewohner eher Almosen nöthig haben, als sie etwas abgeben können, hätte man nicht das Geringste gefunden.
Die Nacht verlief ohne Zwischenfall unter einem zerfallenen Schuppen unter dem einige Schütten Stroh ausgebreitet waren. Ahmet wachte nicht ohne Grund mit mehr Argwohn als je vorher. In der That verließ der Führer um Mitternacht das Dorf und begab sich einige hundert Schritte weit vor dasselbe hinaus.
Ungesehen folgte Ahmet ihm nach und kehrte erst nach der Lagerstelle zurück, als auch der Führer sich dazu anschickte.
Was hatte der Mann da draußen vorgehabt? Ahmet konnte das nicht enträthseln. Er hatte sich überzeugt, daß der Führer mit Niemand gesprochen. Kein lebendes Wesen war in dessen Nähe gekommen. Kein entfernter Ruf drang durch die Stille der Nacht. Kein Signal war
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