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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auf irgend einem Punkte der vorliegenden Ebene gegeben worden.
    »Kein Signal?… sagte sich Ahmet, als er seinen Platz unter dem Schuppen wieder eingenommen. War das aber nicht etwa ein Signal, ein erwartetes Signal, jenes Feuer, das ganz kurze Zeit am Rande des Horizontes aufleuchtete?«
    Da trat ihm auch noch ein Umstand, den er anfänglich gar nicht beachtet, vor die Augen. Er entsann sich sehr genau, daß, während der Führer auf einer kleinen Erhöhung stand, ein Feuer in der Ferne aufgegangen war, das in kurzen Zwischenräumen drei Lichtblitze gegeben hatte und nachher erloschen war. Dieses Feuer hatte Ahmet zuerst für ein solches gehalten, wie die Hirten es sich anzuzünden pflegen. Jetzt in der Stille der Einsamkeit, unter dem eigenartigen Einfluß, den der Halbschlaf ausübt, dachte er wieder daran, sah das Feuer scheinbar noch einmal und deutete sich dasselbe mit einer Ueberzeugung, welche weit über bloßen Verdacht hinausging, als ein verabredetes Signal.
    »Ja, sagte er sich, dieser Führer verräth uns, das liegt auf der Hand! Er handelt im Interesse irgend einer einflußreichen Persönlichkeit…
     

    Ahmet folgte ungesehen (S. 351.)
     
    Aber wessen? Ahmet hatte davon keine Ahnung; er empfand es jedoch, daß dieser Verrath mit der Entführung Amasias in innerlichem Zusammenhange stehen müsse. Den Händen Derer, die den Raub in Odessa begangen hatten, entrissen, war sie bestimmt von neuen Gefahren bedroht, und mußte er nicht
     

    Es war ein schmaler, zwischen Bergen eingesenkter Paß. (S. 356.)
     
    jetzt, nur noch wenige Tagreisen vor Scutari, erst recht Alles fürchten? Ahmet verbrachte den Rest der Nacht in größter Unruhe, wußte er doch nicht, was er zunächst thun sollte. War es rathsamer, die geplante Verrätherei des Führers jetzt zu enthüllen – eine Verrätherei, über welche seiner Meinung nach gar kein Zweifel herrschen konnte – oder zu warten, und ihn zu entlarven und zu bestrafen, wenn er zur ersten Ausführung seiner geheimen Pläne schritt?
    Das Grauen des Tages beruhigte ihn wieder einigermaßen. Er entschied sich dahin, noch diesen Tag verlaufen zu lassen, um noch besser hinter die Absichten des Führers zu kommen. Fest entschlossen, ihn keinen Moment aus den Augen zu verlieren, wollte er jedenfalls unterwegs wie während der Ruhestunden diesen verhindern, sich wegzuschleichen. Uebrigens waren er und seine Gefährten ja alle gut bewaffnet, und wenn das Wohl und Wehe Amasias nicht im Spiele gewesen wäre, hätte er nicht gefürchtet, jedem beliebigen Angriffe Widerstand zu leisten.
    Ahmet war seiner wieder Herr geworden. Sein Gesicht verrieth nichts von dem, was er empfand, weder gegenüber den anderen Reisegefährten, noch gegenüber Amasia, deren zärtliche Liebe sonst so tief in seiner Seele zu lesen verstand – nicht einmal der Führer, der seinerseits auch ihn mit einer gewissen Hartnäckigkeit beobachtete.
    Der einzige Entschluß, den Ahmet faßte, war der, seinem Onkel Keraban die neuen Beunruhigungen, die auf ihm lasteten, mitzutheilen, und zwar bei der ersten sich irgend bietenden Gelegenheit, wenn er deshalb auch eine noch so stürmische Auseinandersetzung heraufbeschwören und aushalten sollte.
    Am nächsten Tage verließ man am frühen Morgen das elende Dörfchen. Wenn nun keine Verrätherei und keine Irrung im Wege vorkam, mußte dieser Tag der letzte einer Reise sein, die nur zur Befriedigung der Eigenliebe des starrköpfigsten aller Osmanlis unternommen worden war. Jedenfalls versprach dieser Tag sehr mühsam zu werden. Die Gespanne mußten die größten Anstrengungen machen, um die Talikas durch diese gebirgige Landschaft zu ziehen, welche schon dem orographischem System der Elken angehörte. Wenn nicht der hier kürzere Weg in Frage kam, hätte Ahmet das Abgehen von der früher eingehaltenen Route gewiß schon der Beschwerlichkeiten der neuen wegen lebhaft bedauert. Mehrmals war man gezwungen, abzusteigen, um die Fuhrwerke zu erleichtern. Amasia und Nedjeb bewiesen bei solchen anstrengenden Fußtouren eine bewundernswerthe Energie. Die edle Kurdin stand ihren Gefährten darin nicht nach. Van Mitten aber, der Verlobte ihrer Wahl, der seit der Abreise aus Trapezunt immer in stark gedrückter Stimmung war, mußte sich auf einen Stock stützen.
    Ueber die einzuhaltende Richtung war nun kein Zweifel möglich. Offenbar kannte der Führer auch die verschlungensten Wege hier. Er kannte sie, nach Keraban, vollkommen, ja, nach Ahmet, mehr als zu gut. Der Onkel

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