Keraban Der Starrkopf
Ueberschreitung des Cap Jessun Burun geleitete der Führer die Karawane quer durch die Ruinen der alten Stadt Polemonium, nach dem Flecken Fatisa, wo Menschen und Pferde eine ganze Nacht der nöthigen Ruhe genossen.
Obwohl Ahmet stets die Augen offen hielt, hatte er doch bisher nichts Verdächtiges bemerkt. Einige fünfzig Lieues waren schon von Trapezunt aus zurückgelegt, und noch hatte keine Gefahr den Seigneur Keraban und seine Gefährten bedroht. Der von Natur etwas schweigsame Führer erwies sich unterwegs wie auf den Haltestellen stets seiner Aufgabe gewachsen und für das Wohl der Reisenden besorgt. Und dennoch empfand Ahmet gegen diesen Mann ein gewisses Mißtrauen, das er nicht zu unterdrücken vermochte. Auch vernachlässigte er nicht das Geringste, um die Sicherheit Aller zu gewährleisten, und wachte für das allgemeine Wohl, ohne davon etwas merken zu lassen.
Am 21. verließ man früh Morgens Fatisa. Gegen Mittag blieb der Hafen von Unieh mit seinen Werften an der Mündung des alten Oenus zur Rechten liegen. Weiterhin verlief die Straße durch ungeheure Ebenen mit Hanfanpflanzungen bis zur Mündung des Tscherchenbeb, wohin die Sage einen Stamm Amazonen verlegt hat, und umkreist dann die Caps und mit Ruinen bedeckten Vorgebirge dieser historisch sehr merkwürdigen Küste Am Nachmittag kam man an dem Schloß von Terme vorbei und am Abend nach Samsun, einer alten athenischen Colonie, wo für die Nacht Rast gemacht wurde.
Samsun ist einer der wichtigsten Stapelplätze dieser Gegend des Schwarzen Meeres, obgleich seine Rhede nicht eben sicher und sein Hafen an der Mündung des Etil-Irmak etwas seicht ist. Doch blüht hier ein lebhafter Handel und man versendet vorzüglich viele unter dem Namen Arbusen bekannte Wassermelonen nach Constantinopel, welche in der Umgegend in großer Menge wachsen. Ein altes, malerisch an der Küste gelegenes Fort würde die Stadt freilich gegen einen Angriff von der Seeseite nur unvollkommen vertheidigen können.
Bei der Abmagerung, an der Bruno litt, erschienen ihm diese allzu wasserhaltigen Arbusen, welche sich der Seigneur Keraban und die Anderen trefflich munden ließen, nicht als geeignetes Mittel, mehr zu Kräften zu kommen, und er schlug es also ab, davon zu essen. Obwohl der arme Kerl schon sehr zurückgekommen war, schien sein Leiden doch noch nicht auf dem Gipfel zu sein, und selbst der Seigneur Keraban konnte sich einer diesbezüglichen Bemerkung nicht entziehen.
»Aber, sagte er wie zum Troste, wir nähern uns Egypten, und da könnte Bruno, wenn es ihm paßt, mit seiner Person ein recht vortheilhaftes Geschäft machen.
– Und auf welche Weise? fragte Bruno.
– Indem er sich als Mumie verkaufte!«
Es versteht sich von selbst, daß ein solcher Vorschlag dem unglücklichen Diener höchlichst mißfiel, und daß er dafür dem Seigneur Keraban die zweite Heirat seines Herrn an den Hals wünschte.
»Doch Ihr werdet sehen, murmelte er, daß diesem Türken nichts passirt, und daß alles Unheil nur auf uns, auf die Häupter der Christen fällt!«
In Wahrheit befand sich der Seigneur Keraban vortrefflich und obendrein versiegte ihm jetzt, wo er seine Projecte unter den günstigsten Bedingungen ihrem Ende entgegen gehen sah, auch die gute Laune nicht mehr.
Weder das Dorf Militsch noch Kysil, in dem der Zug im Laufe des 22. September über eine Schiffbrücke ging: weder in Gerse, wo man am folgenden Morgen ankam, noch in Tschobanlar hielten die Wagen an, außer der zum Ausruhen unbedingt nöthigen Zeit. Der Seigneur Keraban hätte wohl gern, und wenn auch nur auf wenige Stunden, Bafira oder Basra, das ein wenig landeinwärts liegt, besucht, weil da starker Tabakshandel betrieben wird und von daher die »Tays«, das sind zwischen langen Latten geschnürte Packete, kommen die so oft seine Magazine in Constantinopel gefüllt hatten; das hätte aber einen Umweg von zehn Lieues bedingt, und es schien doch rathsam, eine ohnehin lange Reise nicht noch mehr auszudehnen Am 23. Abends gelangte die kleine Karawane ohne Unfall nach Sinope, an der Grenze des eigentlichen Anatoliens.
Dieses Sinope, das auf einer Landenge gelegene alte Sinope des Strabon und des Polybeus, ist noch ein wichtiger Platz des Pontus Euxinus. Seine Rhede ist immer sicher, und es werden hier viele Schiffe erbaut aus dem vorzüglichen Holze der Wälder Aio-Antonios, welche in der Nachbarschaft grünen. Es besitzt ein von doppelter Umwaltung umzogenes Schloß, zählt aber höchstens fünfhundert Häuser und
Weitere Kostenlose Bücher