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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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es weder an Wölfen und Schlangen, noch an Bären und Schakals fehlte – ein Stück an der Küste des Schwarzen Meeres verlorenes tropisches Amerika. Schon dringt aber die Axt der Holzfäller durch die Jahrhunderte lang völlig unberührten Wälder, und die schönen Bäume derselben werden von den Bedürfnissen der Industrie, als Nutzholz für den Häuser-und Schiffsbau, in nicht ferner Zeit verschlungen werden.
    Otchemchiri, der Hauptort des Bezirks, der Kodor und Samurzakan umfaßt, ein nicht unwichtiger Seeplatz an zwei Flüssen; ferner Ilori, dessen byzantinischer Tempel wohl einen Besuch verdiente, unter den gegebenen Verhältnissen aber nicht besichtigt werden konnte, und endlich Gajida und Anaklisa wurden an diesem Tage passirt, an dem man die größte Anzahl Stunden gefahren war, aber bei andauerndem Galopp des Gespanns auch die größte Strecke zurückgelegt hatte. Zu Anfang der Nacht, gegen elf Uhr, erreichten die Reisenden die andere Grenze Abchasiens, setzten durch eine Furt über den Fluß Ingur und hielten, fünfundzwanzig Werst weiter, in Redut-Kale, dem Hauptorte Mingreliens, einer der Provinzen des Gouvernements Kutaïs.
    Die wenigen, noch übrigen Stunden der Nacht wurden dem Schlafe gewidmet. Trotz seiner Müdigkeit erhob sich Van Mitten doch sehr frühzeitig, um vor der Abfahrt noch einen nützlichen Ausflug zu machen. Er fand indeß Ahmet schon ebenso früh auf den Füßen, während der Seigneur Keraban in einem ziemlich guten Zimmer des Gasthauses noch weiterschlummerte.
    »Ah, schon aus dem Bette? sagte Van Mitten, als er Ahmet, der eben ausgehen wollte, wahrnahm. Hat mein junger Freund etwa die Absicht, mich bei einem Morgenspaziergange zu begleiten?
    – Hab’ ich denn Zeit dazu? erwiderte Ahmet. Muß ich nicht für Wiederersatz des Reiseproviants Sorge tragen? Sehr bald überschreiten wir nun die russisch-türkische Grenze, und es möchte nicht leicht sein, sich in den Wüsteneien von Lasistan und Anatolien neue Lebensmittel zu verschaffen. Sie sehen also ein, daß ich keine Minute zu verlieren habe.
    – Doch würden Sie, fragte der Holländer weiter, nicht nachher über einige Stunden verfügen können?
    – Wenn ich fertig bin, Herr Van Mitten, muß ich nach dem Wagen sehen und mich mit einem Stellmacher in’s Einvernehmen setzen, damit dieser einige Schraubenmuttern anzieht, die Achsen schmiert, nachsieht, ob Zaum und Zügel nicht zu abgenützt sind, und die Hemmschuhkette auswechselt. Jenseits der Grenze müssen wir sicher sein, keiner Reparaturen zu bedürfen. Ich hoffe den Wagen in ganz tadellosen Zustand gesetzt zu sehen, und rechne darauf, daß er uns dann bis zum Ende dieser wunderlichen Reise Dienste thut.
    – Schön! Aber wenn das geschehen ist?… wiederholte Van Mitten.
    – Dann hab’ ich mich nach Wechselpferden umzuthun und werde mich nach der Post begeben, um das Nöthige zu ordnen.
    – Sehr schön, aber dann?… sagte noch einmal Van Mitten, der von seiner Idee nicht abging.
    – Dann wird es Zeit sein, abzufahren, erwiderte Ahmet, und wir werden abfahren. Ich verlasse Sie also…
    – Noch einen Augenblick, mein junger Freund, fuhr der Holländer fort, und gestatten Sie mir eine Frage.
    – Sprechen Sie; aber schnell, Herr Van Mitten.
    – Sie wissen ohne Zweifel, daß dieses Land die merkwürdige Provinz Mingrelien ist?
    – Ja, so beiläufig.
    – Es ist das Gebiet, welches der poetische Phasis bewässert, dessen Goldflittern sich einst an die Stufen des Marmorpalastes an seinen Ufern hefteten.
    – Richtig.
    – Hier liegt vor uns das sagenhafte Kolchis, wo Jason und seine Argonauten, mit Unterstützung der Zauberin Medea, um das kostbare Vließ kämpften, welches ein furchtbarer Drache bewachte, ohne von den schrecklichen Stieren zu reden, die Feuer und Flammen spieen.
    – Ich widerstreite dem nicht.
    – Hier endlich, in jenen am Horizont aufstrebenden Bergen, an dem Felsen von Khoneli, der die neuzeitliche Stadt Kutaïs beherrscht, war es, wo Prometheus, der Sohn des Japethos und der Klymene, nachdem er kühn aus dem Himmel das Feuer geraubt, auf Befehl des Jupiter angeschmiedet wurde und ihm ein Geier alltäglich die Leber, den Sitz der bösen Begierden, abnagte.
    – Alles völlig wahr, Herr Van Mitten; aber ich wiederhole Ihnen, ich hab’ es eilig. Was bezwecken Sie mit diesen Reminiscenzen?
    – Sehr einfach, mein junger Freund, antwortete Van Mitten, den liebenswürdigsten Ausdruck annehmend, ich wollte damit zeigen, daß ein Aufenthalt von wenigen

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