Keraban Der Starrkopf
Tagen in diesem Theile Mingreliens und bis nach Kutaïs hin uns recht nutzbringend sein würde, und daß…
Der Wagen rollte alsdann durch ungeheure Gehölze. (S. 197.)
– Sie schlagen damit also vor, unterbrach ihn Ahmet, einige Zeit in Redut-Kale zu verweilen?
– O, vier bis fünf Tage würden hinreichen….
– Würden Sie das auch meinem Onkel Keraban vorschlagen? fragte Ahmet nicht ohne einige Bosheit.
»Machen Sie Platz!« rief Keraban den Reitern zu. (S. 205.)
– Ich?… Niemals, mein junger Freund, erklärte der Holländer; das gäbe Veranlassung zu einem Wortwechsel, und seit dem beklagenswerthen Auftritte mit den Nargilehs wird es mir, das versichere ich Ihnen, nie wieder in den Sinn kommen, mich mit diesem vortrefflichen Manne in irgend welche Erörterung einzulassen.
– Woran Sie sehr wohl thun dürften.
– Augenblicklich wende ich mich hiermit aber nicht an den schrecklichen Keraban, sondern an meinen jungen Freund Ahmet.
– Darin irren Sie doch, lieber Herr Van Mitten, antwortete Ahmet diesen an der Hand fassend. Es ist nicht Ihr junger Freund, mit dem Sie eben reden.
– Und wer denn sonst?
– Nun, der Verlobte Amasias, Herr Van Mitten, und Sie wissen doch, daß dieser keine Stunde zu verlieren hat.«
Damit empfahl sich Ahmet, um die Vorbereitungen zur Weiterreise zu treffen.
Ganz enttäuscht, sah Van Mitten sich darauf beschränkt, in Gesellschaft des treuen, aber ziemlich niedergeschlagenen Bruno eine wenig belehrende, kurze Promenade durch das Städtchen Redut-Kale zu unternehmen.
Zu Mittag waren alle Reisenden zum Aufbruch bereit. Der sorgfältig untersuchte, an einzelnen Stellen ausgebesserte Wagen versprach unter wünschenswerthesten Verhältnissen noch für eine lange Wegstrecke auszuhalten. Bei der Fülle von Lebensmitteln in den Kutschkästen hatte man in dieser Hinsicht nichts zu fürchten, wenn es auch eine große Anzahl Werst oder vielmehr »Agatchs« zurückzulegen galt, denn auf diesem zweiten Theile der Rundfahrt durchzogen die Reisenden ja Provinzen der asiatischen Türkei; Ahmet, als vorsorglicher Mann, konnte sich gewiß nur Glück wünschen, alle Zufälligkeiten bezüglich der Nahrung und der Weiterbeförderung in Rechnung gezogen zu haben.
Zur größten Befriedigung sah der Seigneur Keraban die Fahrt sich ohne Unfälle wie ohne Zwischenfälle vollenden. Wie er sich als Alttürke in seiner Eigenliebe geschmeichelt fühlen würde, wenn er am linken Ufer des Bosporus erschien und die ottomanischen Behörden und die Erfinder jenes ungerechten Personalzolles verspotten konnte, das brauchen wir wohl nicht weiter auszumalen.
Da Redut-Kale übrigens nur vierundzwanzig Werft von der türkischen Grenze lag, so rechnete der starrsinnigste aller Osmanlis darauf, vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden den Fuß wieder auf ottomanischen Boden zu setzen. Dann erst würde er wieder zu Hause sein.
»Vorwärts, lieber Neffe, und möge Allah uns auch ferner schützen! rief er in bester Laune.
– Vorwärts denn, lieber Onkel!« antwortete Ahmet.
Beide nahmen Platz im Coupé; ihnen folgte Van Mitten, noch immer vergeblich bemüht, jenen mythologischen Gipfel des Kaukasus zu erkennen, auf dem Prometheus sein himmelschänderisches Unterfangen büßte.
Unter dem Peitschenknall des Jeneschik und dem Wiehern eines muthigen Rossepaares ging die Reise weiter.
Nach einer Stunde überschritt der Wagen die Grenze von Guriel, das seit 1801 mit Mingrelien verbunden ist. Sein Hauptort ist Poti, ein ziemlich wichtiger Hafen des Schwarzen Meeres, den ein Schienenstrang mit Tiflis, der Hauptstadt von Georgien, verbindet.
Die Straße bog jetzt nach dem Innern einer fruchtbaren Landschaft ab. Da und dort zeigten sich Dörfer, deren Häuser nicht nebeneinander, sondern weit in Maisfeldern zerstreut errichtet sind. Diese Bauwerke bieten einen höchst merkwürdigen Anblick, da sie nicht aus Holz, sondern aus geflochtenem Stroh, ähnlich den Erzeugnissen der Korbmacherei, hergestellt sind. Van Mitten versäumte nicht, diese Eigenthümlichkeit in sein Notizbuch aufzuzeichnen. Und doch waren es keineswegs solche immerhin unbedeutende Einzelheiten, welche er gelegentlich der Fahrt durch das alte Kolchis schriftlich aufzubewahren erwartete. Nun, vielleicht lächelte ihm das Glück mehr, wenn er nach den Ufern des Rion kam, jenes Flusses bei Poti, der kein geringerer, als der berühmte Phasis des Alterthums, und wenn man verschiedenen Geographen glauben darf, einer der vier Ströme
Weitere Kostenlose Bücher