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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Erzstarrköpf, den ich kenne!
    – Nach Ihnen, Keraban, nach Ihnen!
    – Ich?
    – Ja, Sie! rief der Holländer, der sich nicht mehr bemeistern konnte. Sehen Sie doch den Latakierauch, wie er von meinen Lippen quillt.
    – Und Sie, erwiderte Keraban, den Tombekirauch, den ich als wohlriechende Wolken ausblase.«
    Beide saugten an den Pfeifenmundstücken, daß ihnen fast der Athem ausging, und bliesen einander die Rauchwolken in’s Gesicht.
    »Riechen Sie nur ordentlich den Duft meines Tabaks! sagte der Eine.
    – Und riechen Sie nur den meinigen! antwortete der Andere.
    – Ich werde Sie schon noch zwingen einzugestehen, daß Sie bezüglich des Tabaks nichts verstehen.
    – Und ich Sie, versetzte Keraban, daß Sie noch weit unter dem unerfahrensten Raucher stehen!«
    Einmal erzürnt, sprachen Beide so laut, daß man sie schon von draußen hörte. Schon waren Sie unzweifelhaft auf dem Punkte angelangt, wo zwischen ihnen bald gröbliche Injurien hin und her fliegen mußten, wie Kanonenkugeln auf dem Schlachtfelde…
    Gerade da erschien Ahmet wieder. Von dem Lärm herbeigelockt, folgten Nizib und Bruno ihm nach. Alle Drei blieben auf der Schwelle des Vorbaues stehen.
    »Da seh’ Einer, rief Ahmet laut auflachend, da raucht mein Onkel Keraban das Nargileh des Herrn Van Mitten, und Herr Van Mitten raucht aus dem Nargileh meines Onkels Keraban!«
    Nizib und Bruno stimmten schüchtern in das Gelächter ein.
    Und wirklich, als die Kampfhähne die Mundstücke aufhoben, hatten sie die Schläuche vertauscht und priesen, ohne das gewahr zu werden, die überlegenen vorzüglichen Eigenschaften ihrer Lieblingstabakssorte, während doch Keraban Latakie und Van Mitten Tombeki schmauchte.
    Am Ende mußten sie selbst mitlachen und reichten sich gutmüthig die Hand, wie zwei Freunde, deren gegenseitige Zuneigung keine Erörterung – selbst wenn sie einen so wichtigen Gegenstand betraf – zu erschüttern vermochte.
    »Die Pferde sind angespannt, meldete dann Ahmet, wir können jeden Augenblick weiter reisen.
    – So reisen wir ab!« antwortete Keraban.
    Van Mitten und er übergaben Nizib und Bruno die beiden Rauch-Utensilien, welche beinahe zu Kriegsgeräthen geworden wären, und bald hatten Alle wieder ihre Plätze im Reisewagen eingenommen.
    Beim Einsteigen konnte Keraban aber doch nicht umhin, seinem Freunde zuzuflüstern:
    »Da Sie ihn nun gekostet haben, Van Mitten, werden Sie wohl zugeben, daß der Tombeki dem Latakie weit vorzuziehen ist.
    – Ich will’s lieber zugeben, antwortete der Holländer, der es schon bereute, seinem Freunde einmal Widerpart gehalten zu haben.
    – Ich danke, Freund Van Mitten, erwiderte Keraban, gerührt durch solche Nachgiebigkeit, das ist ein Zugeständniß, dessen ich mich stets erinnern werde.«
    Beide besiegelten durch einen kräftigen Händedruck den neuen Freundschaftsbund, der nie zerrissen werden sollte.
    Inzwischen rollte die Chaise, von den Pferden im Galopp dahingezogen, schnell auf der Straße längs der Küste weiter.
    Um acht Uhr Abends wurde die Grenze von Abchasien erreicht, und die Reisenden machten Halt an der ersten Poststation, wo sie bis zum folgenden Morgen ruhig schliefen.
Siebzehntes Capitel.
In dem es zu einem sehr ernsthaften Abenteuer kommt, welches den ersten Theil dieser Erzählung abschließt.
    Abchasien bildet inmitten des kaukasischen Gebietes eine eigenartige Provinz, in der noch keine Civilverwaltung eingerichtet und die also nur den Militärbehörden unterworfen ist. Im Süden derselben verläuft der Fluß Ingur, dessen Gewässer die Grenze Mingreliens, eines der Hauptkreise des Gouvernements von Kutaïs, bildet.
    Es ist eine reiche, vielleicht eine der reichsten Provinzen des Kaukasus, nur verhindert das hier herrschende Regierungssystem eine vernünftige Verwerthung ihrer Schätze. Kaum können die Bewohner heutzutage rechtliche Eigenthümer von Grund und Boden werden, der bisher allein den regierenden Fürsten, Abkömmlingen einer persischen Dynastie, zugehörte. Die eigentlichen Eingeborenen sind noch heute Halbwilde, haben keinen Begriff von der Zeit, besitzen keine Schriftsprache und reden eine Art Kauderwälsch, das nicht einmal ihre Nachbarn verstehen – einen so armseligen Dialekt, daß ihm die Worte für Bezeichnung der elementarsten Begriffe abgehen.
    Van Mitten bemerkte auch bei der Durchreise sehr wohl den einschneidenden Unterschied zwischen dieser Landschaft und den in der Civilisation schon etwas fortgeschritteneren Gebieten, durch die er vorher

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