Keraban Der Starrkopf
polterte Keraban in einem Tone hervor, der den Holländer gleich wieder in seine Ecke zurückschreckte.
Jetzt gab auch der Bahnwärter sein Wort dazu und rief:
»Schnell, schnell! Beeilen Sie sich!… Der Zug von Poti muß jede Minute kommen. Beeilen Sie sich!«
Der Seigneur Keraban freilich hörte kaum noch. Nachdem er den Wagenschlag aufgestoßen, war er auf den Strang hinaus gesprungen und Ahmet wie Van Mitten thaten desgleichen, während Nizib und Bruno eiligst aus dem Cabriolet flüchteten.
Der Seigneur Keraban trat gerade auf den Reiter zu, dessen Pferd er am Zügel packte.
»Wollen Sie mich vorbeilassen? rief er mit einer Heftigkeit, die er nicht zu beherrschen vermochte.
– Niemals!
– Wir werden ja sehen!
– Sehen?
– Sie kennen den Seigneur Keraban nicht!
– Und Sie nicht den Seigneur Saffar!«
Es war in der That der Seigneur Saffar, der sich, nach einem schnell erledigten Ausflug durch die Gebiete des südlichen Kaukasus eben nach Poti begab.
Der Name Saffar aber, der Name des Mannes, der ihm in Kertsch die Wechselpferde vor der Nase weggenommen, war nur zu sehr geeignet, den Zorn des Seigneur Keraban noch weiter zu steigern. Diesem Manne, den er schon auf dem Kerbholz hatte, sollte er weichen? – Nimmermehr! Er hätte sich eher unter den Hufen seines Pferdes zermalmen lassen!
»Ah, Sie sind also jener Seigneur Saffar? rief er. Nun denn, zurück, Seigneur Saffar!
– Vorwärts!« sagte Saffar, indem er den Reitern ein Zeichen gab, den Uebergang mit Gewalt zu nehmen.
In der Ueberzeugung, daß nichts den Seigneur Keraban werde zum Nachgeben vermögen, beeilten sich Ahmet und Van Mitten, ihm zu Hilfe zu kommen.
»So fahren oder reiten Sie doch vor-oder rückwärts, rief der Bahnwärter etwas ängstlich, aber räumen Sie das Geleise! Da kommt der Zug!«
Wirklich hörte man schon das Pfeifen der Locomotive, welche eine scharfe Curve noch verbarg.
»Rückwärts! rief Keraban seinem Gegner zu.
– Rückwärts!« befahl auch Saffar.
Schon war das Keuchen der Locomotive ganz deutlich zu vernehmen. Der Wärter wußte sich kaum noch Rath und schwang seinen Hut, um den Zug womöglich zum Stehen zu bringen… Es war zu spät… die Wagenschlange donnerte hinter der Curve hervor…
Der Seigneur Saffar, welcher einsah, daß er unmöglich noch über den Schienenstrang kommen konnte, riß sein Pferd zurück. Bruno und Nizib hatten sich zur Seite geworfen. Ahmet und Van Mitten packten Keraban und zerrten ihn mit sich weg, während der Kutscher auf die Pferde einhieb und über die Barriere hinüberzugelangen suchte.
Da sauste der Zug mit furchtbarer Schnelligkeit vorüber. Dabei stieß er jedoch noch an den hinteren Theil des Wagens, der noch nicht über das Geleise hinausgekommen war, zertrümmerte denselben vollständig und brauste davon, ohne daß die Passagiere desselben von dem geringfügigen Hinderniß auch nur einen leichten Stoß empfunden hätten.
Ganz außer sich, wollte Keraban auf seinen Gegner losstürzen; dieser aber trieb sein Pferd an, ritt verächtlich und ohne ihn eines Blickes zu würdigen über den Schienenstrang und verschwand mit den vier Reitern im Galopp auf der andern Straße, welche neben dem rechten Ufer des Flusses sich hinzieht.
»Der Schurke! Der Elende!… rief Keraban, den sein Freund Van Mitten noch zurückhielt, wenn ich ihm je wieder begegne!…
– Ja wohl, aber vorläufig haben wir keinen Reisewagen mehr, antwortete Ahmet, der traurig die formlosen, über den Strang hinausgeschleuderten Reste des Gefährtes betrachtete.
– Zugegeben, lieber Neffe; aber ich bin doch, und zwar als der Erste über die Bahn gekommen!
Daraus sprach wieder der waschechte Keraban.
Da nahten sich einige Kosaken von denen, welchen in Rußland die Bewachung der Landstraßen und Schienenstränge obliegt. Sie hatten Alles mit angesehen, was eben an der Bahnbarrière vorgefallen war.
Ihre erste Bewegung bestand darin, zu dem Seigneur Keraban heranzureiten und ihn am Kragen zu nehmen. Das veranlaßte natürlich einen Protest des genannten Keraban, eine unnütze Intervention seines Neffen und seines Freundes, damit noch heftigeren Widerstand des größten Trotzkopfs der Menschheit, der nach einer Zuwiderhandlung gegen bahnpolizeiliche Vorschriften seine Lage durch Widersetzlichkeit gegen die Befehle der Obrigkeit noch zu verschlimmern drohte.
Kosaken widerspricht man am besten ebenso wenig wie Gendarmen; noch weniger leistet man ihnen Widerstand. Wie er sich auch geberdete, wurde der
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