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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Gewehre erneut, packten sie sich dann auf die Schultern und liefen hinüber zu ihren Kameraden, die sich mittlerweile der Pferde bemächtigt hatten.
    Fünf Spanier hatten ihr Leben lassen müssen. Die übrigen waren jetzt bewaffnet und hielten ihre Schinder in Schach, bis Michel die zahmsten Rosse für die ausgesucht hatte, die noch nie auf einem Pferderücken gesessen hatten. Dann endlich war die Kolonne bereit zum Abritt. Es wurde auch höchste Zeit; denn von der Stadt her klang bereits Schreien und Gebrüll herüber, in das sich vereinzelt Schüsse mischten.

9
    Im Norden der Stadt, nicht allzu weit, ragte der Dschebel Arrarat in den jungen Morgen. Auf einem schmalen Gipfelpfad stand ein Mann und blickte nach El Mengub hinunter. Immer wieder setzte er das Fernglas an. Jetzt hatte er das Zeltlager der Wachmannschaften im Blickfeld. Er konnte zwar die Einzelheiten nicht genau unterscheiden, nahm aber an, daß sich dort ein Kampf abspielte.
    Als das Licht heller wurde, bemerkte er in der aufgehenden Sonne eine Staubwolke, die rasch näher kam.
    Eilig steckte er das Rohr in ein Lederfutteral und machte sich an den Abstieg. Am Fuß des Hügels angekommen, wurde er von zwei Menschen in Empfang genommen. Beide waren wie Eingeborene gekleidet. Ihre erwartungsvollen Augen hefteten sich auf sein Gesicht. »Wahrscheinlich kommen sie in wenigen Minuten hier an«, sagte er in englischer Sprache. »Der Staubentwicklung nach müssen es eine ganze Menge Reiter sein. Deshalb habe ich einige Bedenken und bin dafür, daß wir uns lieber in die Felsenhöhle zurückziehen. Man kann nie wissen.«
    Der eine der beiden »Araber« sah den anderen fragend an. Anscheinend hatte er die in englischer Sprache gegebene Erklärung nicht verstanden.
    Der andere jedoch wollte sich nicht lange mit Worten aufhalten, sondern bedeutete ihm einfach, zu folgen.
    Sie nahmen ihre Maultiere beim Zügel und führten sie in die Felsspalte, die sie gegen Sicht decken sollte.
    Der kleinste und zierlichste der drei hielt es nicht lange in dem Versteck aus.»Ich beziehe draußen Posten«, meinte er. »Ich werde mich schon vorsehen.«
    Er ging, ohne auf Zustimmung oder Ablehnung seiner Begleiter zu warten. Seine Geduld wurde nicht auf eine allzu harte Probe gestellt. Denn schon nach etwa zehn Minuten hörte er wilden Hufschlag.
    Vorsichtig verbarg er sich hinter einem nahen Hibiskusgesträuch und lugte nach Süden. Das Stampfen wurde immer deutlicher. Und dann tauchten die flüchtenden Sträflinge aus einem Tal auf.
    Der Araber legte das Gewehr an, ließ es jedoch nach wenigen Augenblicken wieder sinken; denn er hatte Michel, der die Spitze hielt, erkannt.
    Er trat aus seinem Versteck heraus und schwenkte die Arme. Die Reiter verlangsamten ihre Gangart. Nach wenigen Sekunden hielten sie die Pferde an.
    Michel schaute verwundert auf den kleinen Araber, der den Turban tief im Gesicht und den Burnus bis unter die Lippen hochgezogen hatte.
    »Salam«, grüßte Michel überrascht in arabischer Sprache und verbeugte sich höflich vom Pferd herab. »Bist du es, den Allah geschickt hat, uns zu erretten?«
    »Por Dios«, sagte da der Araber in fließendem Spanisch, »ich verstehe kein Wort, Senor Baum.« Er ließ den Burnus sinken und streifte sich den Turban vom Kopf. Langes, rötlich schimmerndes Haar ergoß sich über die Schultern, und das strahlende Lächeln aus den dunklen Augen eines schönen Frauenantlitzes grüßte die Erschöpften. Michel verschlug es für Augenblicke die Sprache. »Warum sagt Ihr nichts?« fragte die Retterin.
    »Ah--Gräfin Marina--buenos dias--. Das nennt man eine Überraschung!«
    Die dunklen Augen der Gräfin zogen sich für einen Moment zusammen und suchten etwas in Michels Gesicht, was sie nicht zu finden schienen. »Quetal?« fragte sie kurz.
    Michel sprang vom Pferd und trat auf sie zu, sehr langsam, wie überlegend.
    »Wart Ihr die Araberin, die die Feile hinter jenen Stein fallen ließ, wo ich sie aufhob?«
    »Wer sonst?« fragte Marina.
    »Bien«, meinte Michel, »ich danke Euch im Namen aller, die Ihr hier vor Euch seht. Ich glaube, wir sind jetzt quitt. Dürfen wir weiterreiten?«
    Marina trat einen Schritt zurück. Sie hatte sich die Begrüßung wahrscheinlich ganz anders vorgestellt.
    »Quitt?« fragte sie. »Nur quitt?«
    Michel sah zu Boden. Er fühlte sich nicht recht wohl in seiner Haut. Aber er konnte sich nicht überwinden, seiner Dankbarkeit in weiteren Worten Luft zu machen. Wie um sich Stärke von seinen Kameraden zu

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