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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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gleich heransein!«
    Michel ritt ein paar Meter zurück, bis er freie Sicht hatte.
    Tatsächlich. Dort wälzte sich eine Staubwolke heran. Fliehen? Unmöglich. Dann würde man die schlecht reitenden Kameraden dem eigenen Schicksal überlassen müssen. Kämpfen? War nicht ratsam. Man mußte die Leute so verblüffen, daß sie von selbst wieder umkehrten.
    Michels Überlegungen wurden von der Stimme des Leutnants unterbrochen.
    »Absitzen!« kommandierte er mit scharfer, befehlsgewohnter Stimme, wobei sein Blick noch immer auf dem Gesicht der schönsten Frau hing, die er je gesehen hatte.
    »Im Karree formiert!« kommandierte er weiter.
    Die Soldaten gehorchten automatisch.
    »Erste Reihe knien!«
    Kasernenhofmäßig formierte er die Leute in zwei Linien, von denen die erste kniete, die zweite stand.
    Michel stand dabei und schüttelte den Kopf. Diese Leute stellten sich einfach auf dem freien Gelände auf, ohne die reichlich vorhandene Deckung auszunutzen. Michel wußte von militärischen Dingen nur eben so viel, wie er zu Hause gelernt hatte.
    Dennoch erschien ihm unter diesen Verhältnissen eine derartige Kampfart irrsinnig. Es würde auf alle Fälle viel Blut fließen, Blut, das wieder Blut forderte. Man hätte sie anders davonjagen können.
    Nun, im Augenblick war nichts zu machen. Die Leute befolgten gewohnheitsgemäß die vertrauten Befehle ihres Vorgesetzten. Eine Flinte hatte jeder erbeutet. Aber was waren das schon für Gewehre? Alte Steinschloßflinten, die die Spanier nur noch vom Hörensagen kannten. Michel gab seinen Freunden ein Zeichen und zog sich mit ihnen in die Felsspalte zurück, die Deckung gewährte. Hinter Gebüsch verborgen erwarteten sie das Eintreffen der Verfolger. Auch sie hatten ihre Gewehre angelegt.
    Zufällig ergab es sich, daß Marina neben Michel stand. Sie hielt gleichfalls ein Gewehr im Anschlag.
    Dann tauchten die ersten aus der Talsenkung auf. In wildem Galopp stürmten sie heran, ein regelloser, schreiender Haufen.
    »Legt an!« schrie der Leutnant, der in voller Größe am rechten Flügel seiner etwa fünfunddreißig Mann starken Doppellinie stand. »Erstes Glied--Feuer!«
    Die Reiter waren auf hundert Schritt heran. So hatte man es früher tausendmal geübt: Als die schlecht sitzende Salve aufklang, stutzten die Angreifer. Eine militärisch aufgebaute Abwehrfront hatten sie nicht erwartet. Da kam der nächste Befehl:
    »Zweites Glied--Feuer!«Das erste Glied hatte inzwischen geladen, was allerdings nicht so rasch wie auf dem Exerzierplatz ging. Die nächste Salve war gleichfalls ein ausgesprochener Mißerfolg; denn höchstens acht Gewehre gingen los.
    Die Araber, deren vorderste Reiter sich am Boden wälzten, nutzten den Augenblick und stürmten gegen die wehrlosen Linien der Spanier an. »Los!« rief da Michel seinen Freunden zu.
    Es kam zwar keine Salve zustande, aber jeder einzelne der unregelmäßig abgefeuerten Schüsse saß. Sie hatten mehr Verheerung angerichtet, als die gegliederte Schlachtordnung. Sie luden in fieberhafter Eile.
    »Jeder schießt jetzt, so schnell er kann«, befahl Michel und legte erneut an. Die Spanier waren überritten worden. Sie lagen auf der Erde, und manche von ihnen hatten tief klaffende Wunden im Schädel. Kein einziger schoß mehr. Sie dachten auch nicht daran, die Gewehre umzudrehen und mit den Kolben gegen die Feinde anzugehen. Es war niemand mehr da, der einen Befehl gab; denn Diego de Bajantes hatte mit sich selbst zu tun. Ein Messer war ihm in den Arm gedrungen.
    Michel und seine Freunde schossen, was sie nur konnten. Marina und ihre Begleiter unterstellten sich ganz von selbst seiner umsichtigen Führung. Binnen kurzem hatten sie so viele Feinde getroffen, daß diese sich doch entschließen mußten, umzukehren. Wie die wilde Jagd ritten die überlebenden Araber davon. Michel reichte Ojo sein Gewehr und meinte:
    »Lade die Flinten alle. Du, Carlos, sammelst die Schießeisen dort auf dem Schlachtfeld ein und lädst sie ebenfalls. Verstaut sie griffbereit hier in dieser Felsenspalte. Ich sehe nach den Verwundeten.«
    Damit verließ er die Deckung und rannte zu den Soldaten hin. Als erstem zog er dem Leutnant das Messer aus dem Arm.
    »Ihr seid mir ein schöner Kinderstubenstratege, Bajantes«, sagte er respektlos. »Wie kann man hier mit den ausgepumpten Leuten, die noch dazu mit Gewehren schießen mußten, deren
    Handhabung unbekannt ist, eine Schlachtordnung aufbauen! Dabei ist das ganze Gelände geradezu klassisch für das Anlegen eines

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