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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Waffe der Gräfin. Er sank aus dem Sattel, und der Hieb traf nur noch ganz leicht Michels Schulter.
    Ojo hatte es gesehen. Sein geliebter Doktor war gerettet. Er wußte gar nicht, wie er je seine Dankbarkeit Marina gegenüber würde ausdrücken können.
    Doch jetzt war Wichtigeres zu erwägen. Der Kampf spitzte sich immer mehr zu. Die Lage wurde nahezu unhaltbar.
    Im Reiten legte er die Hände trichterförmig um den Mund und brüllte mit aller Stimmkraft: »Absetzen! - Flieht! - Rettet Euch!«
    Einen Augenblick stutzten die Freunde. Dann erinnerten sie sich daran, daß sie sich im Fall der Gefahr verstreut nach Norden davonmachen sollten. Eine wilde Jagd begann.
    Der Leutnant, der hinter seinem Stein die ganze Szene beobachtet hatte, merkte plötzlich, daß ihn die kühnen Reiter im Stich lassen mußten, um selbst dem sicheren Untergang zu entgehen. Er ballte drohend die Faust hinter ihnen her und fluchte: »Feige Hunde! — Lumpenpack, dreckiges!«
    Da vorn ritt dieser Pfeifer, der Hund! In seiner Wut legte der Leutnant an, zielte kurz und drückte in dem Augenblick ab, als unvorhergesehen ein anderer seine Visierlinie kreuzte. Bajantes hatte gut getroffen. Der da vorn warf die Arme in die Luft und stürzte vom Pferd. Aber der Mörder sollte sich seines Erfolges nicht lange freuen. Die Reiter des Daj zogen es jetzt anscheinend vor, sich auf die in Deckung liegenden Soldaten zu stürzen, anstatt die Verfolgung aufzunehmen.
    Sie waren wieder abgesessen und gingen nun sprungweise vor, indem sie geschickt jede Deckungsmöglichkeit ausnutzten.
    Als der Teniente nur für den Bruchteil einer Sekunde seinen Kopf aus der Deckung nahm, um die Lage seiner Leute festzustellen, fiel er in sich zusammen. Der Mord war durch eine andere Kugel gesühnt. —
    Die Flüchtenden ritten, bis sie vor Erschöpfung aus den Sätteln sanken. Zehn Meilen ungefähr hatten sie in wahnsinnigem Galopp zurückgelegt.
    Als sie sich sammelten, fehlten zwei: Ojo und Deste.
    »Hat sie jemand gesehen?« fragte Michel erschrocken.
    Ein stummes Kopf schütteln war die Antwort.
    Sie warteten Stunde um Stunde. Als die Dämmerung hereinbrach, sah man am Horizont einen Reiter auftauchen, der aber nur sehr langsam näherkam. Es war Ojo.
    Michel atmete auf. Aber gleich fiel ein Schatten in das Glück. Als Ojo vom Pferd stieg, fragte der Pfeifer: »Wo ist Carlos?«
    Ojo, der starke Ojo, weinte plötzlich wie ein Kind.
    »Sein letzter Gruß galt Euch, Senor. Irgend eine verirrte Kugel muß ihn doch noch erwischt haben. »Grüß mir den Senor Doktor« hat er gesagt, »und richte ihm aus, daß ich nun nie wieder eine Blinddarmentzündung bekommen werde«. Dann war er tot.« Schweigen in der Runde.
    »Die Hunde!« sagte Jardin und fuhr sich über die Augen. Kapitän Porquez schlug ein Kreuz, und Marina blickte zu Boden. —
    Man saß im Dunkel. Ojo, der sich in der Nähe Michels am wohlsten zu fühlen schien und auch jetzt wieder neben ihm hockte, sagte leise:
    »Euch hätte es auch beinahe erwischt. Senor. Die Gräfin hat Euch das Leben gerettet. Das muß man sagen, sie war tapfer, tapfer war sie.«
    Als die anderen schliefen und Marina die zweite Wache hatte, stand Michel auf und trat zu ihr.»Ich--ich möchte Euch meinen Dank sagen, Madonna. Ich hörte, daß ich Euch mein Leben verdanke.«
    Marina stand gegen den Stamm einer Zeder gelehnt und blickte dem Silbador tief in die Augen. »Ich liebe Euch«, meinte sie unbefangen, »was lag da näher, als dafür zu sorgen, daß Ihr mir erhalten bleibt?«
    Plötzlich ließ sie das Gewehr fallen und stürzte an Michels Brust.
    »Laß mich--laß mich, nur dieses eine Mal will ich dich küssen. Stoß mich nicht weg. Bitte
    Wie ein Rausch kam es über Michel. Er legte seine Arme um sie und küßte sie und fühlte doch im selben Augenblick, daß er eine andere meinte, eine, die weit weg war und nun nicht mehr auf ihn wartete.

11
    Das spanische Expeditions-Korps hatte sich bei Sidi-Mes aufgestellt. Drei Reihen bildete die Infanterie — eine dünne Linie. Allerdings war die Feuerkraft recht erheblich, wenn die Salven nicht zu früh in die Angreifer geschossen wurden.
    Im Augenblick war jedoch noch nirgends ein Feind zu sehen. Die Sonne glühte unbarmherzig, und die Strahlen brachen sich funkelnd an den Gewehrläufen. Vom Befehlshaber bis zum letzten Arkebusier herab herrschte Nervosität.
    Sämtliche Schlachten gegen den Daj von Algier waren bisher verloren worden. Hier nun, wahrscheinlich schon in wenigen Minuten, mußte

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