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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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der wird siegen.« Er stand da mit verschränkten Armen. Isolde zog es vor, zu schweigen. »Hast du irgend einen Wunsch?« fragte er mit zynischem Lächeln.
    »Nein, ich würde mir lieber die Zunge abbeißen, als einen Menschen wie dich um etwas bitten.« Hussejn ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    »Wir erwarten jeden Tag die Rückkehr des Daj und seiner siegreichen Heere.«
    Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten.
    Isolde antwortete nicht. Aber sie konnte nicht verhindern, daß sich ihr Herz vor plötzlich aufsteigender Angst zusammenkrampfte. Ohne es zu wollen, drängte sich ihr die Frage auf:
    »Ist denn keine Gnade möglich?«
    Hussejn war ziemlich überrascht. Aber das Grinsen auf seinen Zügen verstärkte sich nur. »Ich glaube nicht, daß man dir Gnade zubilligt. Der Daj wird sehr streng sein; denn durch deine Schuld sind uns auch die anderen wertvollen Gefangenen entflohen.« »Aber ihr habt sie doch ebenso wiederbekommen wie mich.«
    »Wir hatten sie«, antwortete Hussejn finster, »aber gerade vor einigen Stunden erreichte mich die Nachricht, daß sie aus den Steinbrüchen von El Mengub entkommen sind. Sie haben sogar viele unserer Leute verwundet und getötet; denn sie sind gewaltsam ausgebrochen. Ich nehme an, daß der Fürst schreckliche Rache üben wird an demjenigen, durch dessen Schuld sie überhaupt erst in die Steinbrüche versetzt werden mußten — und dieser Schuldige bist du.« »Nein«, rief Isolde Hawbury, »du warst es doch, der veranlaßt hat, daß sie so schnell wie möglich fortgebracht wurden. Du hast sie in die Steinbrüche geschickt, aus denen es im allgemeinen keine Wiederkehr mehr gibt! Das werde ich Baba Ali berichten. Du allein bist schuldig; denn deine Grausamkeit kennt keine Grenzen.«
    Hussejn zog die dunklen Augen zu einem engen Schlitz zusammen. Ein Lächeln spielte um seine Lippen.
    »Was glaubst du wohl, bei Allah, wem der Daj mehr Glauben schenken wird, mir, seinem Stellvertreter, oder dir, einer entlaufenen Sklavin, he? Du mußt verrückt sein, wenn du solche Gedanken hegst. Die Gefangenschaft scheint dir den Verstand verwirrt zu haben. Du wirst gar nicht dazu kommen, überhaupt den Mund aufzutun; denn ich werde den Daj veranlassen, mit dem Krummsäbel in der Hand auf dich zu warten. Du bist eine ungläubige, stinkende Kröte. Ihr
    Weißen seid alle stinkende Kröten. Ihr wollt Land und Macht und glaubt, eure Lehre, die vor Falschheit trieft wie die der Juden, sei stärker als die unsere.«
    Seine Worte waren voller Haß. Man spürte, daß es ihm nicht nur eine Genugtuung war, eine Weiße vor sich im Staub zu sehen, sondern daß er aus politischen Erwägungen heraus einen Haß in sich nährte, der alles versengte, was nicht arabisch und mohammedanisch war. Isolde kämpfte mühsam ihre Tränen zurück. Aber sie enthielt sich jeden weiteren Wortes. Sein Triumph durfte nicht vollkommen werden. Sie würde ihm beweisen, daß auch eine Europäerin hart zu sein vermochte.
    »Ich denke, der Herrscher wird morgen mit seinen Heerscharen eintreffen. Die Soldaten werden Siegesfeste feiern, und ich werde den Daj davon zu überzeugen wissen, daß er dir öffentlich den Genickschlag versetzen soll. Vielleicht schlägt der Fürst so sehr zu, daß dein tückischer Kopf vom Rumpf getrennt wird. Wir werden ihn dann als Trophäe auf einen Spieß stecken und durch die Straßen tragen.«
    Isolde hielt sich die Ohren zu. Krampfhaft schloß sie die Augen. Sein Anblick flößte ihr Grauen ein.
    Jetzt trat er dichter heran und riß ihr die Hände von den Ohren.
    »Vielleicht«, fuhr er fort, »kann man dir den Kopf auch langsam herunterschneiden. Das wird ein Kitzel sein, wie du ihn noch nie verspürt hast, verstehst du?«
    Isolde verstand nicht mehr. Eine gnädige Ohnmacht hatte sie der faunischen Gemeinheit des Quälers entrissen. —
    Als sie später erwachte, war sie wieder allein im Raum. Sie konnte nicht sagen, wieviel Stunden seit jener seelischen Folterung vergangen waren. Die schmutzige Fensterscheibe ließ nur einen dünnen Lichtstrahl hindurch, wenn die Morgensonne direkt darauf stand. Sonst herrschte in der Zelle ein stets gleichbleibendes Dämmerlicht.

13
    Es war ein beschwerlicher Weg, den die Flüchtlinge von El Mengub hinter sich hatten. Michel und seine Gefährten, zu denen jetzt auch die andalusische Gräfin, Steve Hawbury und Marinas treuer Begleiter Guillermo gehörten, befanden sich keine zehn Meilen mehr von Algier entfernt, als Michel das Zeichen

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