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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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bekommen, so träufeln wir es lieber aufs Brot und stecken es in den Magen.« »Maschallah, damit wirst du deine Frau kaum gesund kriegen. Hier, nimm das. Vielleicht gibt dir einer ein paar Piaster dafür. Sieh dir die Dinger aber genau an, bevor du sie veräußerst.« Der Alte fühlte die Steine in seiner Hand und trat schnell zu der spärlich brennenden Fischölfunzel. Die Diamanten sprühten Feuer im Schein der trüben Ampel. Sie stellten für den armen Mann einen unschätzbaren Wert dar.
    Wenn Michel geglaubt hatte, der Alte werde nicht wissen, was er damit beginnen sollte, so hatte er sich geirrt. Er war im Juwelenhandel beschlagener als irgendein noch so tüchtiger Araber. »Sayd«, begann er schüchtern, »weißt du, was du mir da gegeben hast?« Michel nickte.
    »Es sind echte Steine, Sayd. Ich möchte dich nicht betrügen. Nimm sie wieder zurück. Ich kann mir dafür tausend solcher Burnusse kaufen, wie sie dein Gefährte mitgenommen hat.«
    »Nun«, lachte Michel, »denk nicht nur an Geschäfte, denk auch an das Olivenöl für deine Frau, damit sie ihren Ziegenpeter heilen kann. Ich will jetzt gehen. Wir sind quitt.«
    Der Jude starrte ihn sprachlos an. Dann brach es plötzlich aus ihm heraus:
    »Sayd, du bist kein Janitschar--nein, das ist unmöglich--«
    »Hast recht, Alter, ich bin der Flüchtling, den man sucht. Sage niemandem, wer bei dir war. Deine Kleider brauche ich, um zu entkommen. Verzeih mir. Aber ich bin in Not. Salam!« Im Nu war er auf der Straße, wo Ojo ihn bereits ungeduldig erwartete. Dieser hatte den einen der beiden Turbane auf dem Kopf. Michel riß sich die Uniform vom Leibe und warf sich den Burnus um. Den zweiten Turban schlang er ebenfalls um den Kopf.
    »Bien, Senor Doktor, und was nun? Sie werden inzwischen längst die Posten informiert haben. Ihr habt Euch zu lange aufgehalten bei dem alten Juden da drin.«
    »Seine Frau war krank, und so habe ich ein paar Ratschläge geben müssen, wie sie schnell — « »Sayd«, flüsterte eine Stimme hinter ihnen.
    Sie fuhren herum. Ojo hatte schon wieder den Krummsäbel in der Hand. Aber es war niemand anders als der Alte, dem sie eben die Kleider weggenommen hatten.
    »Sayd«, flüsterte er, »willst du aus der Stadt heraus?«
    Michel entschloß sich, ihm zu vertrauen.
    »Ja« gab er ebenso leise zurück.
    »Dann will ich euch führen. Wir Juden kennen viele Schleichwege; denn wir dürfen die Stadt des Nachts nie verlassen. Wenn wir durch das Ghetto gehen, erreichen wir die Freiheit, ohne mit einem Posten zusammenzustoßen. Wollt ihr mir vertrauen?«
    »Ja, aber wir haben Pferde.«
    Der Jude überlegte einen Augenblick.
    »Es wird auch dann gehen. Wo sind die Tiere?«
    »Hinter der Moschee.«
    »So wartet. Ich werde sie holen.«
    »Ist das nicht eine große Gefahr für dich?«
    »Gott wird mir helfen.«
    Es dauerte nicht lange, dann klang gedämpfter Hufschlag auf.
    Ohne den Schritt zu verhalten, führte er die Pferde an ihnen vorbei und sagte leise:
    »Nun folgt mir.«
    Sie schritten kreuz und quer durch die Straßen. Wo sie jemandem begegneten, sagte der Jude ein Wort, das sie nicht verstanden. Es mochte hebräisch sein. Hilfsbereite Männer huschten wie Schatten vor ihnen her. Es war ein Gespenstergang. Ringsum sah man außer den Hütten nur Männer in Kaftanen mit langen, ehrwürdigen Barten.
    Stunden verstrichen, so wenigstens erschien es den beiden Flüchtlingen. Dann standen sie plötzlich auf einer Lichtung.
    »Die Gefahr ist überstanden, Sayd«, sagte der Führer zu Michel. »Nun reitet immer geradeaus. Der Weg führt nach Osten.«
    »Ich danke dir«, meinte Michel und versuchte, noch ein paar Diamanten aus dem Säbel zu brechen.
    Aber der Jude wehrte ab.
    »Nein, Sayd, ich will nichts mehr von deinen Steinen. Du hast mich königlich belohnt. Euch den Weg in die Freiheit zu zeigen, war Gottes Wille. Ich bin nur Adonajs Werkzeug. Geht hin in Frieden!«
    Damit war er auch schon in der Dunkelheit verschwunden.
    »Sonderbarer Kauz«, murmelte Diaz Ojo und schüttelte verwundert den Kopf.
    »Ein Mensch«, sagte Michel nur und stieg in den Sattel.

16
    »Seid Ihr ein Europäer?« fragte Isolde Hawbury ihren schweigsamen Begleiter.
    Die beiden waren bisher noch nicht zu einer Unterhaltung gekommen; denn sie ritten in gestrecktem Galopp dahin, und der Wind nahm ihnen das Wort vom Mund.
    Jetzt zogen sie die Zügel an, und die ermüdeten Tiere fielen in eine langsamere Gangart.
    »Yes, Engländer«, brummte der junge Mann mit verstellter

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