Kerker und Ketten
Minuten. »Scher dich zur Seite, Guillermo!« schrie ihn Jose an. »Du bist noch nicht an der Reihe. Jetzt nehmen wir erst die kleine Furie vor, die uns so lange traktiert hat. Los, verschwinde!« Der andere, der die Stricke in der Hand hielt, stand jetzt unmittelbar neben Marina und wollte dem Befehl Joses nachkommen. Da aber hob Guillermo das Gewehr und schrie ihn an: »Finger weg, du elender Tagedieb, wenn dir dein Leben lieb ist!« In diesem Augenblick krachte ein Schuß.
Guillermo stieß einen Schrei aus, ließ das Gewehr fallen und griff sich nach dem Herzen. Dann brach er zusammen. Jose hatte gefeuert.
Ehe Marina noch recht begriffen hatte, was vor sich ging, war sie bereits an Händen und Füßen gefesselt.
KleineJose wandte sich an Porquez und grüßte ihn höflich, indem er zwei Finger an den Rand des Hutes legte.
»Wir bitten, uns diesen Zwischenfall nicht nachzutragen, Senor Capitan. Guillermo hätte sich nicht in Dinge mischen sollen, die ihn nichts angingen. Entschuldigt uns jetzt einen Augenblick und wartet, bis ich wieder Zeit habe, mich Euch zu widmen.« Damit ließ er den verblüfften Porquez stehen.
Zwei Männer hatten die gefesselte Gräfin aufgenommen. Sie trugen sie über einen Geröllabhang in den nahen Wald und banden sie dort an einen Baum.
Als ihr verzweifeltes Schreien durch die Bäume klang, preßte ihr Jose einen Knebel in den Mund und ging dann wieder zu den Wartenden zurück.
»Ich soll Euch zu Don Escamillo de Fuentes bringen, Capitan. Er hat mit Euch zu reden, bevor Ihr mit irgendeinem anderen Besatzungsmitglied sprecht. Wir haben eigentlich noch mehr Bekannte erwartet. Wo sind Ojo, Deste, der Silbador und dieser lange Engländer? Wart Ihr nicht mit ihnen zusammen?«
Porquez stotterte verlegen ein paar Worte. Er wußte nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Da er jedoch ein paar Gewehrläufe auf sich gerichtet sah, fügte er sich und meinte: »Ich weiß zwar nicht, warum ihr uns hier so überfallt; aber ich bin selbst begierig darauf, mich mit Don Escamillo zu unterhalten. Sagt, ist an Bord der »Trueno« noch alles so, wie es war?« »Si, si, Senor Capitan«, meinte Jose eifrig. »Kommt nur mit mir. Ihr werdet das Schiff bald selbst sehen können. Und soviel will ich Euch sagen: Wir alle werden froh sein, wenn Ihr wieder an Bord seid. Adelante, reiten wir!«
Der kleine Jardin fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Erstens kam ihm jetzt seine Feindschaft mit Escamillo de Fuentes, dem der Silbador die rechte Hand abgeschlagen hatte, wieder zum Bewußtsein. Und zweitens fühlte er das aufsteigende Gefühl einer Schuld gegen Marina. Ganz abgesehen davon, daß sie an sich nichts Besseres verdiente, als ihr jetzt widerfahren war, hätten sich zumindest der alte Porquez und er selbst ein wenig kavaliermäßiger benehmen dürfen.
Die Kavalkade hatte sich inzwischen der Küste genähert. Ein Jubelruf entstieg der Kehle des alten Porquez. Ja, da draußen lag sein Schiff, seine »Trueno«, mit der er im Namen des Königs die Meere unsicher gemacht hatte.
»Wir nehmen ein Boot und rudern sofort hinüber«, bestimmte Jose. »Der Steuermann und Don Escamillo sind vermutlich an Bord.«
Schweigend ob der kühlen Begrüßung bestiegen die vier das Boot. Ebenso schweigend griff Jardin nach einem der Ruder, während Jose das andere nahm. Dann stießen sie ab. Die Soldaten, die irgendeine Sonderstellung einnehmen mochten, bemannten die anderen Boote und folgten.
»Du«, sagte Punte, der vor einem der Zelte hockte, zu seinem Freund Hernan, »was, glaubst du, ist da passiert? Ich dachte, Escamillo hätte die Landsknechte ausgesandt, um die Gräfin zu empfangen. Statt dessen bringen die Burschen unsere Feinde wieder, die wir gar nicht sehen wollen.«
»Ich werde auch nicht daraus klug. Ich habe nichts gegen den alten Kapitän. Aber, wo er ist, da ist auch der Silbador nicht weit. Die Burschen sind doch damals zusammen von Bord gegangen. Hast du überhaupt eineAhnung, weshalb unsere Dona das Schiff verlassen hat, weshalb sie Virgen befohlen hat, später diesen verdammten Escantillo freizulassen? Der Teufel mag daraus schlau werden. Ich nicht.«
»Ich kann dir zwar deine Fragen ebensowenig beantworten wie du die meinen«, sagte Punte, »aber soviel ist mir klar: die Sache hat einen Haken. Ob der Gräfin vielleicht etwas zugestoßen ist? Diablo, ich habe ein Gefühl im Magen, als ob etwas nicht in Ordnung wäre.« Hernan starrte trübsinnig vor sich auf den Boden, als
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