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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Kaufmanns.
    »Warum machst du solch ein Geschrei, alter Mann?« fragte er.
    »Schaff diesen Fremden aus dem Haus. Er hat den Schejtan im Leibe!«
    Halef zuckte die Achseln.
    »Was willst du, der Herr hat mir aufgetragen, ihm und seinen Gefährten ein Nachtlager im Stall anzuweisen, damit sie sich ausruhen konnten. Sie kamen gestern in die Stadt.«
    »Ah«, sagte das Männlein, »und warum hast du mich nicht verständigt?«
    »Du schliefst so schön und schnarchtest so zufrieden, daß es mir wie eine Sünde vorgekommen wäre, deinen Traum zu unterbrechen, Großvater.«
    »Ah! Das war vernünftig von dir. Ich will mich gleich hinlegen, um noch ein wenig zu ruhen. Die Zeit des Morgengebetes ist ohnehin verstrichen.«
    Er verschwand in dem Raum, aus dem er gekommen war, und warf die Tür hinter sich zu.
    »Was ist denn das für ein sonderbarer Heiliger?« fragte Michel.
    »Der Großvater, eigentlich der Vater des Großvaters unseres Herrn. Er muß schon nahe an hundert Jahre alt sein. Er ist nicht mehr ganz richtig im Kopfe.«
    »Das scheint mir auch so. Schaff uns etwas zu essen und zu trinken, Halef. Hernach möchte ich mit deinem Herrn sprechen.«
    Halef zögerte. »Ich weiß nicht, ob es im Sinne des Gebieters ist, euch zu verpflegen. Besser ist es, ihr kleidet euch an und verlaßt so schnell wie möglich das Haus.« »Setzt ihr eure Gäste stets so schnell wieder auf die Straße?« Halef nickte.
    »Ja, der Herr hat es nicht gern, wenn andere zugegen sind. Sie stören ihn und seine religiösen Betrachtungen. Abd el Hamid ist ein sehr frommer Herr.«
    »Aber der Koran schreibt vor, daß man den Hungrigen speisen, den Dürstenden tränken und dem Heimatlosen eine Lagerstatt gewähren soll. Wie vereinbart sich die Frömmigkeit deines Herrn mit der Ungastlichkeit seines Hauses?«
    Halef wollte eine Antwort geben. Ein schlaues Grinsen lag auf seinen Zügen. Aber Michel kam ihm zuvor. Er durchbohrte ihn plötzlich mit seinen Blicken und begann wieder zu pfeifen, schrill und durchdringend.
    Halef zuckte zusammen und wollte fortrennen.
    »Bring uns zu essen und zu trinken; aber laß uns ja nicht zu lange warten. Sonst soll dich auf der Stelle der Schejtan holen, und ich werde dafür sorgen, daß deine Seele in eine Wildsau verwandelt wird und auf ewig in die Dschehenna fährt. —
    Los«, fauchte er ihn plötzlich an, »geh jetzt und mach uns was zu essen!«
    Halef stürmte davon. Der Fremde flößte ihm eine unbestimmte Furcht ein. —

22
    Sie bekamen wieder Reis mit Hammelfleisch. Etwas anderes schien es hier nicht zu geben. Nach dem Essen rief Michel nach Halef und sagte:
    »Melde mich jetzt deinem Herrn. Ich wünsche ihn zu sprechen. Aber laß nicht wieder stundenlang auf dich warten.«
    Es dauerte nur kurze Zeit. Dann erschien der Diener wieder und meinte:
    »Mein Herr ist nicht zu sprechen; denn er möchte noch ein wenig schlafen. Er hatte in der letzten Nacht anstrengende Verhandlungen mit dem Gouverneur und läßt euch sagen, daß ihr weiterreiten sollt.«
    Michel fragte kalt: »In welchem Raum pflegt dein Herr zu nächtigen? Führe mich zu ihm.«
    »Du willst doch nicht etwa trotz — — —«
    »Doch ich will! Führe mich!« unterbrach ihn Michel ungeduldig.
    »Ich kann dich nicht zu ihm führen, Sayd, es geht nicht. Abd el Hamid ist ein gestrenger Herr. Er würde mich peitschen lassen, wenn ich seinen Befehlen zuwider handelte.« »So mag er dich peitschen. Wenn du mich jetzt nicht gleich hinführst, so wirst du in der nächsten Sekunde in die Hölle fahren, das verspreche ich dir.«
    Michel packte ihn beim Burnus und gab Steve Hawbury einen Wink. Dieser zog aus der neben ihm liegenden Satteltasche eine Wildschweinhaut hervor und breitete sie auf dem Boden aus. Sie hatten auf ihrer langen Reise des öfteren Gebirgsschweine erlegt; denn viel anderes Wild war ihnen nicht vor die Flinte gekommen. Und da sie die Gewohnheiten und Sitten der Eingeborenen kannten, hatte Steve den Vorschlag gemacht, eine solche Haut mitzunehmen, um durch Drohung Hilfe zu erzwingen, die ihnen freiwillig nicht gewährt wurde. Sie befanden sich in einer Notlage und mußten auch zu absonderlichen Mitteln greifen, wenn sie nicht wie gemeine Diebe stehlen wollten.
    Halefs Augen weiteten sich vor Entsetzen. Mit einem Aufschrei riß er sich los und rannte davon.
    Michel sauste hinter ihm her; denn er war überzeugt davon, daß Halef zu seinem Herrn laufen würde, um ihm von dem teuflischen Beginnen der Fremden Bericht zu erstatten.
    »Sayd! —

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