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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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die Christen, und der Priester hielt eine Predigt über die Geburt des Herrn Jesu Christi um diese Stunde. Im Abendland schrieb man den vierundzwanzigsten Dezember.
    Abd el Hamid, der zwar ein guter Mohammedaner war, hatte die Einladung des christlichen Statthalters doch keineswegs abgelehnt. Er sah auf die Uhr, die ihm an einer schwarzen Kette vom Halse baumelte, und rief nach seinem Diener. Es ging sehr europäisch zu in diesem Haushalt.
    »Bring mir meinen schwarzen Überhang, Halef, und winde mir den Turban neu. Dann mach das Verdeck über der Kutsche zu und spann die Pferde an.«
    Der Diener verbeugte sich höflich mit über der Brust gekreuzten Händen. Man sah ihm jedoch an, daß er nicht gerade übermäßig davon erbaut war, seinen Herrn bei diesem Wetter in der schlammigen Stadt spazieren zu fahren.
    Nach dem Stand der Sterne mochte es ungefähr elf Uhr nachts sein, als sich der Wagen des Arabers in Bewegung setzte.
    Halef saß auf dem Bock und verfluchte sämtliche Marabuts für dieses Wetter. Plötzlich stutzte er.
    Wer ritt hier zu so später Stunde noch durch die Nacht? Vor ihm ertönte Hufschlag. Man hörte ihn trotz des rauschenden Regens. Halefs Neugier erwachte. Er fuhr langsamer.
    Da sah er vier Reiter die Straße heraufkommen, die vom Osten her in die Stadt führte. Die Reiter hielten die Pferde an, als sie auf der Höhe der Kutsche waren.  Abd el Hamid lugte neugierig unter seinem Versteck hervor und fragte unwirsch:
    »Weshalb fährst du nicht weiter, Halef? Allah verdamme dich für deine Faulheit! Ich werde dich morgen auspeitschen lassen.«
    Da vernahm er die Stimme des einen der Reiter. Sie klang nicht gerade sehr höflich. »Salam alejkum! [4] Hast du ein Haus hier in der Nähe, Sayd?«
    Der Kaufmann erwiderte den Gruß nicht, sondern blickte sich suchend um. Aber es waren weit und breit keine spanischen Polizisten zu sehen.
    »Fahre weiter, Halef!« schrie er den Kutscher plötzlich an. Halef schwang die Peitsche. Aber noch ehe sie auf den Rücken der Pferde niedersauste, fiel ihm der eine der Fremden in die Zügel und sagte:
    »Seid ihr immer so unhöflich in Oran, daß ihr nicht einmal den Gruß Fremder erwidert? Ich sagte Salam. Hast du das nicht gehört?«
    Halef bequemte sich schließlich zu einer Entgegnung des Grußes.
    »Wa alejkum 's salam. [5] Wir haben keine Zeit. Mein Herr ist beim Gouverneur eingeladen«, fuhr er ungeduldig fort.
    Von hinten kam schon wieder die Stimme Abd el Hamids:
    »Maschallah, warum fährst du nicht?« Der Reiter, der dem Diener in die Zügel gefallen war, gab seinem langen Gefährten einen Wink, und dieser stellte sich mit seinem Pferd neben Halef, um diesen am Weiterfahren zu hindern.
    »Willst du mir nicht sagen, Sayd, ob du ein gastfreundliches Haus hast?« fragte der erste wieder, der nun direkt neben der Kutsche hielt.
    Der Kaufmann streckte abwehrend die Hände aus und schrie:
    »Allah, wie siehst du aus? Du bist ja vollkommen durchnäßt. Glaubst du, ich werde die marmornen Dielen meines Hauses von deinem Dreck beschmutzen lassen?« »Wir wollen nicht in dein Haus, wenn du es nicht wünschst. Aber vielleicht hast du einen Stall, in dem wir übernachten können.«
    Da ergab sich Abd el Hamid in sein Schicksal. »Halef soll mich zum Gouverneur fahren. Dann mag er euch Stroh geben und eine Schlafstelle im Stall anweisen. Ihr habt doch Gold, um die Übernachtung zu bezahlen?«
    Der andere schwieg zu dieser Frage und sagte nur: »Danke.« Dann wandte er sich an seine drei Gefährten, und sie setzten sich nun alle vier hinter die Kutsche. Am Gouverneursplatz angekommen, kletterte der Kaufmann aus dem Wagen und ging mit unorientalischer Eile die Stufen der Freitreppe empor. Der Regen, der ihn nun doch besprühte, war ihm unangenehm. Halef wurde munter. Auch er stieg vom Kutschbock und verschwand durch einen Hintereingang im Haus, ohne sich um die vier Fremden zu kümmern.
    »Möchte wissen, wo der Bursche so lange bleibt«, knurrte Ojo nach einer Weile. »Ich denke, er sollte uns den Weg zum Haus dieses arabischen Senors zeigen.«
    Isolde war vor Schwäche auf ihrem Pferd zusammengesunken. Ihre Zähne schlugen im Schüttelfrost aufeinander. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Die Strapazen der Reise hatten sie zu einem Schatten ihrer selbst gemacht.
    Michels Kiefer mahlten ungeduldig aufeinander. Er krampfte wütend die klammen Fäuste um die Zügel sei-nes abgetriebenen Pferdes. Warum kam der Kerl nicht?
    Nach weiteren fünf Minuten verlor er die Geduld. Er

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