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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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beruhigend wirkte. »Ich habe meine Kunst in Istanbul gelernt, auf der Universität der Osmanen. Oh, ich kann operieren, daß du hinterher nicht einmal die Naht sehen wirst! Aber du darfst natürlich nicht dabei sein. Laß das Zimmer deines Sohnes verdunkeln und weise deine Diener an, daß sie sich ruhig verhalten, damit ich ungestört arbeiten kann. In einer Stunde ist alles vorbei.« Michel hatte Mühe, sein Lachen zu verbeißen. Auf diese »Operation« war er sehr neugierig. Abd el Hamid gab Anweisung, daß man alles vorbereite. Dann verließen die beiden das Zimmer, ohne von Michel Notiz zu nehmen.
    Michel erhob sich und ging hinterher. Vor der Tür des Operationszimmers saß auf einem Diwan der Vater und wimmerte vor sich hin, daß man glauben konnte, die Säge nage an seinen eigenen Knochen.
    Michel hockte sich neben ihn und harrte gespannt der Dinge, die sich da ereignen sollten. Es verging eine ganze Weile. Dann öffnete sich die Tür, und der Doktor kam strahlenden Angesichts heraus.
    »Es ist geschafft. Dein Sohn wird noch heute gesunden.«
    Mit einem Aufschrei der Freude stürzte der Kaufmann in das Zimmer. Michel folgte ihm; denn es verstand sich, da er ja Arzt war, von selbst, daß eine orientalische Operation und deren Erfolg seine Teilnahme hatte.
    Abd el Hamid beugte sich über seinen fiebernden Jungen, der vielleicht acht Jahre alt sein mochte, und betastete seinen Körper. Der Hekim hatte nicht gelogen. Man sah nicht einmal eine Naht, wo er den Köper wieder zusammengenäht hatte.
    »Oh, Allah hat den Hekim mit der Gnade seiner höchsten Weisheit erleuchtet«, sagte Abd el Hamid erfreut zu Michel, dessen Gesellschaft ihm im Augenblick nicht unwillkommen zu sein schien. »Sieh ihn dir an. Er ist wie früher.«
    Michel benutzte die Gelegenheit, den Jungen zu untersuchen, der ihn aus fiebrigen Augen anstarrte.
    Der schlaue Hekim hatte nicht den leisesten Handschlag gemacht. Er mußte eine halbe Stunde im Zimmer gesessen haben, ohne sich zu rühren. Danach behauptete er einfach, daß ihm die Operation gelungen sei.
    »Wieviel Piaster bekommst du?« fragte ihn Abd el Hamid.»Vierhundert«, meinte der verschlagene Alte, »ich habe diese Operation zu dem niedrigsten Preis gemacht.«
    »Warte einen Augenblick. Ich will das Geld holen.«
    Abd el Hamid stürmte beglückt davon.
    Michel griff nach der Hand des Kleinen und fragte:
    »Nun sag mal, wo tut es denn weh?«
    »Aber es kann nichts mehr weh tun«, mischte sich der Arzt ein, »du vernahmst doch gerade: ich habe ihn gesund operiert, und nicht einmal eine Naht hat die Kunstfertigkeit meiner Hand hinterlassen.«
    Michel hörte nicht auf ihn, sondern betrachtete aufmerksam den kleinen Hamid. Der deutete mit seiner Hand auf die Gegend des Bauches. Just in diesem Moment richtete er sich auf und erbrach sich. Michel hielt ihm den Kopf. Dabei fiel sein Blick dorthin, wo der Körper des Jungen eben noch gelegen hatte. Er bemerkte schleimige Kotmassen, die unkontrolliert durch den Dickdarm abgegangen waren.
    Als sich der Kleine ein wenig beruhigt hatte, flüsterte er Michel zu:
    »Ich habe Durst — immer Durst. Kannst du mir nicht etwas zu trinken geben?«
    Michel sah den Hekim an.
    Der zuckte die Achseln und grinste:
    »Was ich tun konnte, habe ich getan. Die Heilung muß natürlich Allah besorgen. Unser aller Schicksal liegt in seiner Hand.«
    »Du Schurke«, antwortete Michel, »dein Schicksal liegt im Augenblick in meiner Hand, verstanden? Wenn du nicht machst, daß du augenblicklich aus dem Haus kommst, so werfe ich dich hinaus.«
    Der Hekim verzog das Gesicht.
    »Ich will nur meine Piaster haben. Dann gehe ich sowieso. Du wirst sehen, der Bengel ist heute abend gesund.«
    Abd el Hamid kam. Er hatte die Silberstücke in einem Beutel bei sich.
    »Halt!« sagte Michel. »Gib ihm nichts. Er ist ein Betrüger. Er hat nichts für deinen Sohn getan. Der Junge ist noch ebenso krank wie vorher.«
    »Aber erlaube«, empörte sich Abd el Hamid, »wenn er ihn doch auseinandergesägt hat, um in ihn hineinzusehen, dann muß er doch wissen, ob er jetzt krank oder gesund ist.«
    Michel hielt den Kopf des Kleinen, der sich schon wieder erbrechen mußte. Er wußte von vornherein, daß er dazu verurteilt war, untätig zuzusehen, wie Abd el Hamid dem Hekim das Geld gab. Denn es würde ihm, der in den Augen des Kaufmanns ein Landstreicher war, sicher nicht gelingen, den Araber von seiner unglaublichen Dummheit zu überzeugen.
    »Kommst du noch einmal nach ihm sehen?« fragte

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