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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Abd el Hamid den Hekim.
    »Ja, wenn das Abendgebet vorbei ist. Aber es wird sicher nicht mehr nötig sein; denn dein Sohn ist bereits gesund. Was er jetzt leidet, sind nur die Nachwirkungen der schwierigen Operation.«
    »Der Dank des Propheten und aller Marabuts ist dir gewiß«, sagte der Kaufmann und überreichte ihm die gefüllte Börse.
    Abd el Hamid war durch die schnelle Genesung seines Sohnes jetzt milder gestimmt und gestattete den ungebetenen Gästen, noch eine Nacht im Stall zu kampieren, bis ihre Kleider trocken waren.
    »Höre«, sagte Michel in ehrlicher Besorgnis, »dein Sohn ist nicht gesund. Beobachte ihn--
    «»Oh, mach den Hekim nicht schlecht. Er ist ein guter Säger und hat in Istanbul studiert. Wenn er sagte, Hamid ist gesund, dann ist er es auch. Du wirst heute abend schon einsehen, daß er recht hatte.«
    »Trotzdem wirst du mir gestatten, ihn jetzt noch einmal genau zu betrachten, nicht wahr?« »Immer zu; aber ich sage dir, daß es keinen Zweck hat. Außerdem bin ich der Meinung, daß wir Hamid ruhen lassen, damit er sich von den Strapazen ausruhen kann.« »Vater — Vater«, wimmerte der Kleine, »ich habe solche Schmerzen, ach Vater, ich werde gewiß sterben.«
    Abd el Hamid beugte sich über ihn und meinte:
    »Nein, nein, sei still, mein Kleiner, mein Süßer, mein Bester, heute abend wirst du dich tummeln können wie ein Fisch im Wasser.« Er richtete sich wieder auf und befahl Michel: »Komm nun, damit er ruhen kann. Unsere Gegenwart regt ihn nur auf.«
    Michel warf noch einen Blick auf den Jungen und gehorchte widerstrebend. Er mußte die Wünsche seines Gastgebers respektieren; denn immerhin waren er und seine Freunde auf dessen Freundlichkeit angewiesen.
    So folgte er dem Kaufmann.
    Als sie den Hof erreicht hatten, sagte er:
    »Ich danke dir für deine Gastlichkeit. Wir haben eine lange Reise hinter uns und brauchen Erholung, aber wir haben kein Geld, um Essen und Trinken zu bezahlen.«
    Abd el Hamid kniff die listigen Augen zusammen und antwortete:
    »Gut, das Schlafquartier im Stall will ich euch für eine weitere Nacht, wie ich bereits sagte, ohne Bezahlung überlassen. Wenn ihr jedoch Essen haben wollt und Futter für eure Pferde, so müßt ihr beides verdienen.«
    Michel nickte. Ihm war jede Arbeit recht. Und es ließ ihn auch gleichgültig, daß er wie ein Bettler behandelt wurde. Im Augenblick galt es, das nackte Leben zu bewahren und eine Gelegenheit zu finden, sich mit neuen Kleidern und anderen notwendigen Dingen zu versorgen, um Oran so bald wie möglich wieder zu verlassen.
    »Hör zu«, begann Hamid, »ich erwarte heute im Lauf des Nachmittags eine Gruppe von Reitern, die einige Säcke für mich bringen. Leider betreten diese Leute niemals die Stadt bei ihren Lieferungen. Etwas südlich von Oran liegt der kleine Duar Sihdi-Bachr. Dorthin wirst du mit deinen Freunden reiten, um die Ware für mich in Empfang zu nehmen. Das ist alles, was ich von euch verlange.«
    Michel krauste die Stirn. Das war immerhin ein sonderbares Ansinnen. Warum brachten die Lieferanten die Säcke mit der Ware nicht in die Stadt? Dabei mußte man stutzig werden. »Was sind das für Waren, Abd el Hamid?« »Oh, nichts als ein paar Ballen Hanf. Keine schwere Arbeit. Nur kann ich gerade heute keine Leute finden, die für mich arbeiten.« Er verschwieg wohlweislich, daß er zwar nicht den spanischen Statthalter, dafür aber einen Angriff der Konkurrenz fürchtete. Es gab in Oran eine ganze Menge Kaufleute, die dem einträglichen Gewerbe der Haschischgewinnung nachgingen. Abd el Hamid war aber einer der wenigen, dessen Rohstoffquellen nie versiegten. Zudem war er einem anderen Kaufmann der Stadt noch eine Abgabe von der letzten Verarbeitung schuldig, die dieser zwar nicht offen zu fordern wagte, weil Hamid die besseren Beziehungen zum Statthalter hatte, die er sich aber doch einmal nehmen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Und Gelegenheit war dann, wenn Hamids Ware in Sihdi-Bachr ankam.
    Hamid rechnete mit einem Überfall und mit dem Raub der ganzen Lieferung. Und Hamid war Menschenkenner genug, um Michel für einen ehrlichen Mann zu halten, der sich unter Umständen mit seinem Leben für das Gut des Gastgebers einsetzen würde. »Sind es viele Ballen, die du erwartest?«
    »Ich rechne mit sechs. Ihr vier seid genug, sie herbeizuschaffen.«
    »Wir sind nur zwei«, entgegnete Michel. »Wir haben eine Frau bei uns. Deren Bruder aber wird zu ihrem Schutz zurückbleiben.«
    Abd el Hamid lächelte

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