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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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diesen ungeschliffenen Raufbold — was würde man am Hof des Sultans von uns denken, wenn wir in seiner Begleitung kämen?« Isolde zog die Brauen zusammen.
    »Steve«, sagte sie, »er war uns ein treuer Reisebegleiter. Er hat im Gebirge für uns die Tiere geschossen, die wir verzehrt haben, und er hat ein gut Teil dazu beigetragen, daß wir überhaupt mit heiler Haut hierher gelangt sind. Ich finde deine Bedenken zumindest ungerecht.« »Unsinn«, sagte Steve, »du mußt nun langsam deine Gefühlsduselei ablegen. Wir kommen jetzt in zivilisiertere Gegenden. Da können wir solche Landstreicher in unserer Gesellschaft nicht mehr gebrauchen.«
    »Ich habe aber Mr. Baum versprochen, daß ich mich um ihn kümmern werde. Ich verstehe deine Hartherzigkeit nicht.«
    »Das ist auch nicht nötig. Was ich tue, hat schon Sinn und ist richtig. Darauf kannst du dich verlassen, teure Schwester. Und was du diesem wüsten Pfeifer versprochen hast, brauchen wir nicht zu halten. Man muß aus diplomatischen Erwägungen heraus manchesmal Versprechungen geben. Wo käme ein Diplomat hin, wenn er alles, was er verspricht, ausführen wollte? Dieser Baum, oder wie er heißt, existiert für mich gar nicht mehr. Ich mag diese sich überlegen gebenden Abenteurer nicht. Hinzu kommt noch, daß er ein Deserteur ist, ein Mann, der jeden Anspruch auf Ehrenhaftigkeit verloren hat. Befreien wir uns endlich von allem, was uns noch an ihn erinnern könnte — und dieser lange, grobschlächtige Spanier erinnert mich dauernd an ihn.« »Ich kann deine Meinung nicht teilen; denn ohne diese Männer wäre ich wahrscheinlich heute noch die Sklavin des Daj in Algier.«
    »Sagt, Senorita, wie ist das mit einer Herberge? Wollen wir nicht endlich Rast machen?« fragte Diaz Ojo.
    »Mein Bruder will zuerst in den Palast!« Ojo blickte mißmutig drein. Dann meinte er:
    »Leider bin ich auf Euch angewiesen, Senorita, weil Ihr das Geld in Verwahrung habt. Aber ich möchte doch in eine Herberge. Wir könnten gemeinsam eine Unterkunft suchen, von wo aus Ihr Euch dann zum Palast begeben könnt.«
    »Ich dachte, Ihr würdet mit uns kommen. Mein Vater wird sicherlich dafür sorgen, daß Ihr auch dort wohnen könnt.« Ojo verzog das Gesicht.
    »Ich glaube nicht, daß ich in einen Palast passe, Senorita. Gebt mir etwas Geld und laßt mich in der Stadt.«
    Isolde sprach mit ihrem Bruder.
    »Na also«, meinte der erfreut, »das ging ja leichter, als ich dachte. Gib ihm alles, was du noch hast, wir brauchen nichts mehr. Heute abend liegen wir auf seidenen Kissen und lassen uns von schönen Sklavinnen bedienen. Trennen wir uns endlich von diesem groben Klotz.« Ojo war zufrieden, als er das Säckchen, dessen Inhalt während der Reise beträchtlich zusammengeschmolzen war, ausgehändigt erhielt.
    »Und wo werden wir Euch finden?« fragte Isolde. »Ja, das weiß ich auch noch nicht. Ich werde hin und wieder in der Nähe des Palastes sein, dort könnt Ihr mich dann treffen, Senorita, hasta la vista — auf Wiedersehen.«
    Er lächelte freundlich und wandte sein Pferd in Richtung einer schmalen Seitengasse. Er war froh, von den beiden wegzukommen. Wenn er auch kaum ein Wort englisch verstand, so hatte er doch gemerkt, daß der junge Herr ihm nicht wohlgesinnt war. Er rechnete damit, daß der Pfeifer bald hier sein würde, wahrscheinlich schon morgen oder übermorgen.
    Ojo hielt sein Pferd zunächst vor einem Basar an, an dem frische Ziegenmilch angeboten wurde. Er kaufte einen Becher voll und goß ihn durstig hinunter. Die Milch erquickte ihn. Er fühlte sich jetzt viel frischer.
    Sein nächstes Ziel war ein maurisches Dampfbad. Er band sein Pferd an einem Mauervorsprung fest und ging hinein.
    Ein Neger von herkulischem Körperbau war gerade dabei, heiß gemachte Steine in ein Wasserbecken zu werfen. Dampf zischte auf und hüllte die nackten Ge-stalten in dichte Wolken ein. Die Hitze steigerte sich von Minute zu Minute.
    Ojo spürte, wie ihm der wochenalte Reiseschmutz mit dem austretenden Schweiß aus allen Poren lief. Ein Wohlbehagen überkam ihn, wie er es schon lange nicht mehr empfunden hatte. Nachdem er lange genug geschwitzt hatte, forderte ihn der Neger auf, sich auf eine hölzerne Pritsche zu legen. Dann begann die Massage. Die riesigen Fäuste des Negers kneteten Ojo durch, als sei er ein zwanzig Pfund schweres Kind und nicht ein Mann, der gut und gern seine zwei Zentner auf die Waage brachte. Auch der letzte Schmutz wurde auf diese Weise aus den Poren entfernt.
    Vier

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