Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
Vom Netzwerk:
her, der seinerseits nichts von dessen Worten verstand.
    Ojo packte den Mann, der wie ein Landstreicher aussah, am Burnus und zog ihn einfach mit sich. Da er gerade in der Nähe des Palastes war, richtete er seine Schritte auf das Eingangstor. Der Posten machte ihm ehrerbietig Platz; denn der lange Ungläubige gehörte nach den Anweisungen, die jener von seinem Wachoffizier erhalten hatte, zu den Gästen des britischen Attaches.Ojo nahm den Mann einfach auf die Arme und setzte ihn erst dann wieder auf den Boden, als er vor Isolde Hawbury stand.
    »Fragt diesen Mann, woher er das Zeichen auf seinem Rücken hat, Senorita. Mir kommt es bekannt vor, aber ich weiß nicht, wo ich es in meiner Erinnerung unterbringen soll.« Isolde stellte ihre Frage, wurde aber von dem Aufschrei einer Stimme unterbrochen. Steve fühlte sich heute wohler und war eben eingetreten. Er hatte den Schrei ausgestoßen. Wie ein Wilder schoß er auf den Araber zu und rief aus:
    »Das ist Marinas Piratenflagge! Es gibt nur eine davon auf der Welt! Mein Gott, ist's möglich?
    Wo hast du das Zeichen her?« wandte er sich an den Araber.
    Der fixierte ihn scharf und fragte dann:
    »Bist du derjenige, den man den Pfeifer nennt?«
    »Nein. Aber ich bin ein Freund von ihm.«
    Isolde übersetzte Ojo laufend das Gespräch der beiden Männer.
    »Aha«, sagte Ojo dazwischen, »jetzt erinnere ich mich ebenfalls. Ich habe diese Flagge nur einmal gesehen, und zwar an jenem Tage, als die Meuterei auf der »Trueno« ausbrach.« »Von wem hast du dieses Zeichen?« fragte Steve ungeduldig.
    »Von einer weißen Frau«, antwortete der Araber. »Aber ich darf meine Botschaft nur dem ausrichten, den sie den Pfeifer nennen. Er soll Triller mit dem Munde machen können, wie sie selbst der Schejtan nicht herausbringt. Das ist der Beweis dafür, daß er der Richtige ist. Bringt ihn zu mir, und ich will ihm alles erzählen.« Da war guter Rat teuer.
    Draußen erhob sich plötzlich Geschrei. Gewehre knallten. Isolde und die anderen wandten sich den Mauerdurchbrüchen zu und blickten hinaus.
    Ein Reiter jagte in vollem Galopp über den Hof. Sein schmutziger, zerrissener Burnus wehte wie eine Fahne hinter ihm her. Drei Wachen hatten sofort die Verfolgung aufgenommen. Da sahen sie, wie der Eindringling einige blinkende Gegenstände hinter sich auf den Boden warf. Als sie herankamen, erkannten sie, daß es goldene Zwanzig-Piaster-Stücke waren. Sie ließen von der Verfolgung ab und rauften sich um die Schätze, die hier zur Selbstbedienung auf dem Boden lagen.
    Wenn ein Araber leichten Gewinn wittert, den er sich nicht zu erarbeiten braucht, vergißt er Weib und Kind und sogar die Befehle seiner Vorgesetzten. Und oft ist es so, daß sich die Vorgesetzten in diesem Fall selbst an der Jagd nach dem Gold beteiligen. Der Araber ist arm, der in Marokko lebende Araber noch ärmer als die anderen. Daher ist diese Sucht nach Gewinn verständlich. Der Ankömmling war ... der Pfeifer. »Mr. Baum!« rief Isolde erfreut.
    »Senor Doktor!« brüllte Ojo mit allem Stimmaufwand, dessen er fähig war. Sie liefen nach draußen und umringten den so plötzlich wiederaufgetauchten Freund. Nur Steve preßte die Lippen zusammen. In diesem Augenblick kehrten die Schmerzen in seiner Brust wieder. Mit verbissenem Gesicht ließ er sich auf einem Diwan nieder und sagte mit vor Wut knirschenden Zähnen zu dem Araber:
    »Das da — der Kerl, das ist der Pfeifer. Dem kannst du deine Botschaft ausrichten. — Der Teufel soll ihn holen«, setzte er für sich auf englisch hinzu.
    Die Wiedersehensfreude war groß. Michel, abgespannt und müde, betrat in Begleitung Ojos und Isoldes unangefochten das Innere des Palastes und schritt den Gemächern zu, die den Gästen angewiesen worden waren.
    »Wie habt Ihr uns so schnell finden können, Senor Doktor?« fragte Ojo, während ihm Tränen der Freude über das Gesicht liefen.
    »Das war nicht schwer, mein guter Diaz, ich ritt gerade in jene Straße ein, die zum Palast führte, als ich dich mit diesem Burschen da verschwinden sah. Da bin ich dir einfach gefolgt. Was willst du mit dem Kerl?«
    Isolde sagte dem Araber, er solle sich umdrehen. Als Michel einen Blick auf seinen Rücken geworfen hatte, verflog sofort alle Müdigkeit.
    »Donnerwetter!« rief er in seiner Muttersprache, fuhr aber gleich darauf auf Arabisch fort, »erzähle, wie du zu der Freibeuterfahne der »Trueno«kommst, hebek Sadik [11] , erzähl es schnell. Ich bin gespannt.«
    »Bist du wirklich der

Weitere Kostenlose Bücher