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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Pfeifer?« vergewisserte sich der Araber mißtrauisch.
    Michel ließ einen seiner schauererregenden Triller hören. Der Fremde fuhr zusammen und blickte ihn scheu an. Dann begann er seine Geschichte:
    »Ich war in Mekka, um Allah meine Gebete an heiliger Stätte darzubringen. Auf dem Rückweg traf ich auf eine Karawane, die Sklaven mit sich führte. Der Vater dieses Schandunternehmens, das Allah verderben möge, war der berüchtigte Mädchenhändler Mustapha, der die Frauen meistens an den Großherrn in Stambul oder seine Wesire verkauft. Dafür braucht er ganz besonders schöne Exemplare. Ihr wißt, daß jeder Araber einen Hadschi [12] zum Mahle einlädt. Der größte Verbrecher achtet diese Sitte. So auch Mustapha. Ich aß und trank und ging dann schlafen. In der Nacht wurde ich durch die Berührung einer zarten Hand geweckt. Du kannst dir mein Erstaunen vorstellen, als ich eine schöne Frau, der Allah tausend Jahre schenken möge, neben meinem Lager sah. Diese Frau war eine Weiße und nannte sich ähnlich, wie die Christen die Mutter von Isa ben Myrrhiam [13] nennen. Aber ein Buchstabe war anders ...« »Ah«, unterbrach Steve, »sie nannte sich nicht Maria, sondern Marina, nicht wahr?«
    Der Erzähler nickte eifrig. Dann fuhr er fort:
    »Sie gab mir diesen Lappen, der da auf meinem Rük-ken klebt, und sagte, ich solle ihn tragen, wenn ich durch Marokko zöge. Es gebe jemanden, der seine Bedeutung kenne und mir ein gutes Bakschisch [14] geben würde, wenn ich ihm diese Geschichte erzählte.« Er machte eine Pause und sah Michel fragend an. »Bekomme ich auch wirklich dieses Bakschisch?« »Ja«, erwiderte der Pfeifer, »nun berichte schnell weiter. Wir sind alle neugierig, wie es weitergeht.«
    »Bei Allah, ihr seid sehr ungeduldig. Aber ich will deinem Wunsch nachkommen. Sie sagte mir dann, daß Mustapha sie irgendwo an der algerischen Küste geraubt habe, wo, habe ich vergessen, und sie nun wahrscheinlich in die Türkei verkauft werde. Sie äußerte, daß der Mann, der so schaurig pfeifen kann, aufbrechen solle, um sie zu befreien. Sie würde überall dort, wo sie wäre, die gleichen Zeichen sehen lassen wie dies, das ich auf dem Rücken trage. — Das ist alles, was ich weiß. Nun gib mir mein Bakschisch!« Er beugte sich vor und streckte die Hand aus.
    Michel nahm ein paar Goldstücke aus seinem Beutel und reichte sie ihm. Strahlend und zufrieden verließ der Bote den Palast.
    Isolde berichtete dem Pfeifer nun ihre Erlebnisse und kam auch auf den Schlag zu sprechen, den jener Araber ihrem Bruder mit dem Gewehrkolben versetzt hatte. Michel sagte:
    »Ich bin zwar furchtbar müde; aber ich werde nicht schlafen gehen, bevor ich Euch untersucht habe, Steve.«
    Widerwillig ließ Steve die Untersuchung über sich ergehen.
    Nach einer Weile richtete sich Michel wieder auf und meinte mit ernstem Gesicht:
    »Der Kerl hat Euch die sechste Rippe zerschlagen. Ihr habt die Sache verschleppt. Es ist eine Knorpelwucherung entstanden. Ich werde heute nachmittag versuchen, sie Euch einigermaßen zurechtzurücken und Euch einen festen Verband anlegen. Den behaltet Ihr die nächsten vier Wochen um. Auf keinen Fall dürft Ihr reiten, noch Euch unnötig bewegen. Am besten ist es, Ihr liegt viel. Dann heilt es am schnellsten.«
    »Ich kann nicht liegen. Ich muß aufbrechen, um Marina zu befreien.« Michel schüttelte den Kopf und sagte:
    »Ich verstehe Eure Gefühle, Steve. Dennoch könnt Ihr nicht reiten. Ihr würdet nicht einmal bis an das Tel kommen. Ich werde mich zwei Tage hier bei Euch ausruhen und dann mit Ojo aufbrechen. Selbstverständlich werde ich die Piratin nicht in ihrer mißlichen Lage stekken lassen, wenn eine Möglichkeit zu ihrer Befreiung besteht.«
    Steve richtete sich plötzlich auf und schrie: »Nein! — The deuce, Ihr nicht! — Ihr nicht!« Michel drückte ihn sanft auf die Kissen und sagte:
    »Ich werde sie Euch nicht wegnehmen. Sollte sie Eure Gefühle erwidern, so schicke ich sie nach England, wenn mir ihre Befreiung gelingt und sie zu Euch will.« »Sie wird bei Euch bleiben wollen!« zischte Steve.
    »Nein«, sagte Michel, »das wird sie nicht. Dazu gehören zwei. Ich aber lasse sie nicht bei mir.« »Das glaube ich Euch nicht! Ihr liebt sie doch!«
    »Nein!« sagte Michel hart, »nein, ich liebe sie nicht!« Und zu Ojo gewandt, »morgen reiten wir, wenn du Lust hast, amigo.«
    Diaz dachte an die spanische Taberna und an den Wein und den gemütlichen Wirt. »Ist es nicht besser, wir reiten erst

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