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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Weltanschauung lag in diesem Programm. Wenn er sie schon nicht im Ganzen übernehmen konnte, wollte der junge Mann sie doch wenigstens als Haltung ausprobieren.
    »In zwei Jahren müssen Sie hier ohnehin weg sein - sonst haben Sie etwas falsch gemacht«, diesen Satz des Kollegen teilte er Ina mit, denn ein bißchen sollte sie schon fühlen, unter welchem Druck er hier stand. Das neue Bild von einer Karriere - nicht, wie einstmals, die übertragene Tätigkeit immer besser zu verstehen und immer vollkommener zu durchdringen, bis man Meister geworden war, sondern jede Beschäftigung nur als Übergang, nur als Sprungstein für eine ganz andere zu begreifen - hatte für ihn noch etwas Berauschendes, da konnte die Wohnungsfrage wirklich nicht die erste Geige spielen. Es schmeichelte ihm aber, daß Ina sich so fest auf ihn verließ. Er erinnerte sich, wann sie ihm das erste Zeichen solch unbeschränkten Vertrauens gegeben hatte, aus ganz harmlosem Anlaß. Er hatte sie, ohne daß es verabredet war, vom Bahnhof abgeholt, und sie sagte: »Ich wußte, daß du kommst.« An diesem Tag war ihr Liebesverhältnis in ein neues Stadium getreten.
    *
    Lange war der junge Mann der sinkenden Nacht mit seinem Sportrad entgegengefahren. Er hatte die Steigungen und Senkungen des Frankfurter Terrains kennengelernt, den Tiefpunkt des Geländes am Fluß und den allmählichen Anstieg, mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbar, dafür aber mit den Waden, die kräftiger treten mußten. An diesem Sommerabend rückten die Taunus-Berge näher, bläulich und mit den fließenden Linien eines gelassenen Ein- und Ausatmens. Obwohl dies Mittelgebirge nicht zu schroffen Höhen ansteigt, war es jetzt als große Masse, als mächtiger Gebirgskörper spürbar. Die Stadt lag in einem weiten, aber wohldefinierten, sich nicht formlos verlierenden Raum. Hier oben, vom Stadtzentrum schon recht weit entfernt, denn die Anhöhe schluckte den Blick auf die untere Hälfte der Hochhäuser und ließ sie nur noch mit ihren Dachgeschossen aus dem Gelände wie aus einem Sumpf auf-ragen, zogen sich Straßen mit kleinen Villen entlang. Der Zerfall des festen Stadtgefüges bereitete sich vor, obwohl das eigentliche Ausfransen noch nicht begonnen hatte. Die Schatten der Nacht ließen das Bergmassiv geschlossen und fern erscheinen und verbargen, daß die Siedlungen bis weit die Hänge hinauf kein Ende nahmen.
    Es schien dem jungen Mann jetzt völlig aussichtslos, in dieser Stadt Fuß fassen zu wollen. Gerade diese kleinen Villen, von denen die eine oder andere Ina vielleicht sogar gefallen hätte, sahen auf geradezu endgültige Weise bewohnt aus. Der Fahrtwind trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Es war, als gleite er auf einer Schiene voran.
    Die letzten Tage waren anstrengend gewesen, und davor lag ja die in der Erinnerung zwar schon ferngerückte Groß-Auf-regung der Hochzeit, die sein Körper aber noch keineswegs überwunden hatte. In seinem Pensionszimmer überfiel den jungen Mann eine Müdigkeit, die ihm das bloße Ausziehen zur Last werden ließ. Er warf die Kleider auf den Boden. Sie aufzuhängen fehlte die Kraft. Wie spät war es? Der Wecker war stehengeblieben. Konnte die Hitze die Uhren stehen lassen? Das schien auf einmal möglich. Bevor er in tiefen Schlaf sank, fiel ihm noch ein, daß er für morgen Vormittag um zehn eine Wohnungsbesichtigung verabredet hatte. Die Wohnung kam nicht vom Makler und war erheblich billiger als das bisher Gesehene. Aber das hieß, daß er an einem Samstagvormittag, der ersten Gelegenheit auszuschlafen, hätte aufstehen müssen. Er blickte zum Wecker hinüber. Wie wäre das Erwachen möglich ohne den gnadenlosen Piepton, der den Schlaf sonst gewaltsam beendete? »Ich lasse es darauf ankommen«, dachte der junge Mann und fühlte in einem einzigen seligen, wie immer für den
    Genuß allzu kurzen Augenblick sein Entgleiten in die Ohnmacht.
    *
    Er erwachte, als die Sonne am Himmel stand und so unverdrossen wie gestern auf die Stadt herunterbrannte. Das Fenster ging auf einen öden Hof, in dem nur ein großer Abfallbehälter stand. Es war so still wie tief in einem dichten Wald. Ein Vogel zwitscherte. Auf manche Menschen hat das Vogelzwitschern eine tröstliche und ermutigende Wirkung. Der junge Mann hatte das Vogelzwitschern bisher nicht wirklich wahrgenommen, eigentlich nur wenn ihn nach durchfeierter Nacht auf der Straße die ersten Vogelstimmen begrüßten, um den jungen Morgen anzukündigen. Aber heute war dies einzige Zeichen von Leben

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