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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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in diesem Haus und in diesem traurigen Hof plötzlich wie ein Anruf. War das ein Merkmal des Älterwerdens? Er fühlte sich erfrischt, doch er blieb noch ein Weilchen liegen. Die Verabredung fiel ihm ein. Die Uhr stand immer noch. Hätte sie sich in der Nacht etwa einen Ruck geben sollen? Das Schweigen um ihn herum war so dicht, daß er sich von der Welt abgetrennt fühlte wie in einem Keller. Auf dem Gang keine Schritte. Er stand langsam auf. Heute mußte er keine Büro-Uniform tragen. Als habe er alle Zeit der Welt, räumte er sein Zimmer ein wenig auf, die mißhandelte Anzugjacke kam auf einen Bügel. Ob es noch Frühstück gab? Die Serbin, die in diesem Haus den Kaffee kochte, verließ ihre Küche um elf.
    Der Frühstücksraum war leer. Am Wochenende hatte die Pension meist wenige Gäste. Die Serbin trat ein und brachte Kaffee. Der junge Mann schlug die Zeitung auf und las sie gründlich. Er fühlte, daß er heute alles ganz langsam machen müsse, diese friedvolle Langsamkeit gehörte noch zum Schlaf. Er bestellte ein zweites Kännchen Kaffee. Die Zeitung war ausgelesen. Es gab eigentlich keinen Grund mehr, sich in diesem Frühstücksraum aufzuhalten, der, sowie man gefrühstückt hatte, gleich ein wenig unwirtlicher zu werden schien. Bis zu diesem Augenblick hatte der junge Mann es sich verboten, nach der Uhr zu fragen. Das tat er jetzt.
    Die Serbin sagte »Halb zehn«.
    Es sei nicht gut, daß der Mensch allein sei, heißt es schon in der Genesis. Man könnte diesen Grundsatz einschränken, indem man einräumt, daß das Alleinsein jedenfalls gelernt sein will, wenn es zu einem wünschenswerten und fruchtbaren Zustand werden soll. Der junge Mann hatte darin gar keine Übung. Er war sein Lebtag noch niemals zwei Wochen hintereinander allein gewesen, im Internat und beim Militär hatte er sich besonders wohlgefühlt, und Ina ließ er schon zwei Jahre vor der Hochzeit kaum einen Augenblick aus den Augen. Mit den eigenen Gedanken allein zu sein war ein Abenteuer, das Überraschungen bereithielt. Was man in Gesellschaft gar nicht richtig mitbekam: den Wechsel der Stimmungen, wurde, sowie man allein war, zum staunenerregenden Phänomen. In Gesellschaft war jede Stimmung Antwort auf das Betragen oder die Worte eines anderen; ein anderer Mensch machte einen wütend oder brachte einen zum Lachen, aber nun stellte sich heraus, daß Wut, Erregung, Zufriedenheit und Heiterkeit auch ganz ohne ein Gegenüber auftreten konnten und sich genauso heftig wie in Gesellschaft, ja noch viel gewaltsamer Aufmerksamkeit verschafften.
    Niemals zuvor hatte der junge Mann mit dem »Schicksal«, so nannte er das jetzt hochtrabend, ein solches Spiel getrieben wie heute morgen, als es darum ging, die Verabredung in der Wohnung einzuhalten oder aber zu versäumen. Wenn du willst - wer sollte da wollen? -, daß ich diese Wohnung anschaue, dann halte du die Zeit an, hatte der junge Mann offenbar im geheimsten während seiner vormittäglichen derart provozierend in die Länge gezogenen Trödelei gedacht, und so war er jetzt von der schlichten Antwort der Serbin in einem Maße überrascht, das die Frau, die er ungläubig ansah, wohl kaum verstand.
    Ein Zeichen! Wie gut, daß der sportliche Kollege nicht zugegen war, er hätte, was die beruflichen Aussichten des jungen Mannes anging, besorgt den Kopf gewiegt.
    Die beiden großen Bedingungen, denen die gesuchte Wohnung genügen mußte, waren von der Wohnung am Baseler Platz erfüllt: Sie war keine Parterre-Wohnung, dafür allerdings im vierten Stock, Aufzug gab es keinen, die Treppe war wendeltreppenartig eng und ausgetreten - aber gut, darauf sollte es nicht ankommen -, und ein Park lag zwar nicht in der Nähe, aber dafür das Mainufer mit langen auf den Kais angelegten Rasenflächen; da konnte man an dem breiten braunen Wasser, von Möwen umflattert, durchaus etwas herumspazieren, sich womöglich gar auf den Rasen legen, wenn einem die zahlreichen Sonnenbadenden, die unter einer Wolke von Sonnenölduft lagerten, nicht zuwider waren.
    Aber davon abgesehen waren das Haus und seine Lage wohl so weit von allen Plänen und Vorstellungen entfernt, die das junge Paar bisher erwogen haben mochte, daß man sich fragen darf, warum der junge Mann bei seinem Anblick nicht auf dem Absatz umkehrte. Ein Eckhaus mit den vertrauenerweckenden Buntsandsteinquadern im Sockel, aber wie anders wirkte dieser Stein hier als in den schönen Wohnvierteln! Etwas Rauchig-Schmutziges lag über ihm, die Kälte eines

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