Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
verschlingen.“
„Jeremy würde mir niemals etwas antun!“
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
„Ich dachte einst wie Ihr. Aber die Wirklichkeit holte mich schnell ein. Auch ich spielte mit dem Feuer, in dem Glauben, es bändigen zu können. Ich verbrannte mir die Finger, wie Ihr sie Euch verbrennen werdet, wenn Ihr nicht auf der Hut seid.“
„Ihr liebtet auch einen Vampir?“
„Ja. Einst vor vielen, vielen Jahren machte mich Dorian in unserer ersten Liebesnacht zu dem, was ich heute bin.“
„Gegen Euren Willen?“
Kalestra senkte den Blick. „Es war nicht seine Schuld. Die Leidenschaft machte ihn wild und unbeherrscht. Junge Vampire verlieren schnell die Kontrolle. Aber der Schaden ist nicht mehr rückgängig zu machen und nun hasst er sich dafür, dass er mich der Wahl beraubte.“
Ich hielt den Atem an. Deswegen hatte ich Jeremy also fesseln müssen. Damit er keine Gelegenheit bekam, mich in seiner Zügellosigkeit zu beißen. „Kalestra, Sur will Euch sprechen!“ Eine jugendlich aussehende Vampirin in einem blutroten Seidenkleid lugte durch die Tür.
„Natürlich. Richtet ihm aus, dass ich mich auf den Weg mache.“ „In Ordnung“, sagte das Mädchen und verschwand genauso schnell, wie es gekommen war.
„Entschuldigt, Sophie. Ich fürchte, Sur hat schon von Eurer Ankunft erfahren. Ich werde ihm die Situation erklären. Lasst Euch vorher sagen, ich teilte Eure Leidenschaft und weiß, was Ihr fühlt. Versprecht mir nur eines, seid vorsichtig.“ Kalestra erhob sich, warf ihr flammendes Haar zurück und verließ die Bibliothek mit wehendem Umhang.
Stimmte es, was sie sagte? Setzte ich mich einer dunklen Gefahr aus, weil ich Jeremy liebte? Selbst wenn es so war, ich konnte längst nicht mehr ohne ihn sein. Das Warten wurde zur Qual. Ich fragte mich, wo Gregory war und machte mich auf die Suche nach ihm. Die Bibliothek glich einem Irrgarten. Die Regale bildeten schmale Gänge, in denen man nur allzu leicht verloren ging. Ich fand ihn schließlich bei einem kauzigen Vampir, der an einem Schreibtisch saß und eine Schriftrolle studierte.
„Hier steckt Ihr also. Auf der Suche nach Euch hätte ich mich fast verlaufen“, sagte ich und gesellte mich zu dem Buckligen, der zur Antwort nur ein unverständliches Grollen ausstieß.
„Wen wundert das, junges Fräulein. Hier gibt es über 100 000 Bücher. Die meisten wurden von Vampiren geschrieben. Ich bin Ernest McLane, der Bibliothekar dieser umfassenden Sammlung“, antwortete der kauzige Herr mit den wirr abstehenden Haaren und rückte sein Monokel zurecht. „Was immer Ihr auch sucht, hier werdet Ihr es finden.“
„Bedauerlicherweise kann ich weder lesen noch schreiben.“ Diese Kunst sollte ich erst Jahre später erlernen. „Und so lange kein Buch über die
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Heilung des Irrsinns in Euren Regalen steht, lohnt es sich wohl auch nicht, damit anzufangen“, sagte ich im Scherz.
„Ein Buch über die Heilung des Irrsinns! Wartet bitte einen Augenblick.“ Ernest sprang aus seinem Sessel, kletterte auf eine Leiter, die bis zur Decke reichte und stieß sich vom Regal ab. Die Leiter rollte mit einem lauten Knattern durch den halben Raum. Ich zuckte zusammen. „Eigentlich war das nicht ernst gemeint“, flüsterte ich Gregory zu.
„Heilung, Heilung… Heilung… Zu schade. Das Buch wurde ausgeliehen. Aber hier habe ich etwas, das Eurem Wunsch ebenso entspricht.“
Er rollte mit der Leiter zurück, kletterte mit einem kleinen Buch in der Hand auf seinen Schreibtisch, von dort auf den Boden und reichte es mir. Vorsichtig befreite ich den Einband von Spinnenweben und einer dicken Schicht aus Staub.
„Ihr wisst, wo jedes Buch hier in der Bibliothek steht?“
„Natürlich, das ist meine Aufgabe.“
„Wovon handelt dieses hier?“
Die Lettern gaben mir Rätsel auf.
„Der kleine Almanach der Rituale.“
Er riss mir das Büchlein aus der Hand, blätterte hektisch darin, bis er die gewünschte Seite gefunden hatte und deutete mit dem Finger auf den Buchstabensalat.
„Die Heilung des Irrsinns durch das Ritual der Kerzen. Man zeichne einen Kreis mit dem Blut einer Katze auf den Boden und stelle zwanzig Kerzen aus Bienenwachs ringsherum auf. Der Besessene muss sich in die Mitte legen. Notfalls sei er zu fesseln… und dann sage man folgende Worte, um die bösen Geister auszutreiben. Ah, das scheint mir Lateinisch zu sein. Bedaure, das ist leider keines meiner
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