Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
mich an Sophies Stelle siehst. Warum?“
Unerträglich zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Derselbe goldblonde Lockenkopf und wenn du mich mit deinen nachtblauen Augen anschaust, habe ich das Gefühl, Sophie steht vor mir.“ Auf einmal beschlich sie ein fürchterlicher Gedanke. „Hast du sie geliebt?“
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„Sophie?“, fragte er schmunzelnd, doch Trauer schwang in seiner Stimme mit. „Nein! Mein Herz gehörte damals einer anderen und ich bin eine treue Seele.“
Er hatte das Thema angesprochen. Nun fasste sie Mut, in die gleiche Kerbe zu schlagen. „Es tut mir unendlich Leid wegen Kalestra. Sophie wollte nicht, dass sie…“
„Erwähne nie wieder ihren Namen!“, fuhr er sie an und blieb stehen. Die Tanzenden schauten zu ihnen hinüber. Tammy bekam Angst und trat den Rückzug an. „Dorian, bitte beruhige dich. Ich flehe dich an, lass uns weitertanzen. Alle gucken zu uns.“
„Was soll’s?“, blaffte er. „Sollen sie ruhig Zeuge werden…“
„… wie du mich richtest?“, unterbrach sie ihn. „Ich weiß, du wirst es tun, heute Nacht.“
„Tammy, geh nicht zu weit! Es ist zu deinem Besten, wenn du schweigst und mich nicht reizt“, ermahnte er sie leise.
„Aber meine Familie bekommst du nicht!“, ranzte sie ihn an und lief zu ihren Eltern, um sie in Sicherheit zu bringen.
Aber bevor sie etwas sagen konnte, nahm Samantha sie zur Seite. „Du liebst ihn.“
Tamara war außerstande etwas zu erwidern.
„Oh, Tammy, hätte ich das nur gewusst. Trotz all unserer Differenzen, ich schwöre dir, ich hätte die Finger von ihm gelassen. Es ist nichts passiert. Ehrlich!“
Sammy Jos Geständnis stimmte sie wieder milde. Tamara beruhigte sich langsam, ja, sie spürte sogar eine Wärme in ihrem Inneren, weil sie nie und nimmer damit gerechnet hatte, dass ihre Schwester für sie zurückstecken würde. Samantha wollte immer alles haben, besonders das, was Tammy besaß.
„Danke“, sagte Tamara lächelnd und drückte ihre Schwester an sich. Dorian hatte sie nicht entzweien können. Tammy würde ihre Eltern nicht mit der Restaurantkette im Stich lassen, obwohl sie gegen die Erweiterung des ‚That Delicious Bite’ war. Es blieb noch Marcus. Sie sah ihn in der Ecke stehen mit einem Glas Rotwein in der Hand, zumindest hoffte sie, dass es Wein und nicht Blut war.
Tammy entschuldigte sich bei Samantha und eilte zu Marcus. „Ich muss mit dir sprechen“, bat sie leise.
„Was machst du denn hier? Sprechen, ja, gerne“, antwortete er verträumt lächelnd und zog sie mit sich. „Lass uns in der Bibliothek reden. Dort sind wir ungestört. Ans Lesen denkt heute Nacht niemand.“
Sie taten, als wollten sie das WC aufsuchen und schlüpften stattdessen durch eine Korridortür. Am Ende des Ganges drückte Marcus seinen Daumen auf einen Spiegel und die Wand vor ihnen teilte sich. Tammy vermutete, dass der Spiegel ein Touchscreen war und sich ein Scanner und eine Kamera dahinter befanden.
„Das Gestüt und das Haus sind nur eine Tarnung. Dort leben nur eine Hand voll Menschen, Anwärter und wenige Vampirfreunde, wie Tyron Winchester, die sich um das 'Ride through time' am Tage kümmern. Die
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eigentlichen Räumlichkeiten der Vampire befinden sich unter der Erde, wo ewige Dunkelheit herrscht, damit sie sich 24 Stunden frei bewegen können.“
Tammy wusste dies schon aus Sophies Memoiren, schwieg jedoch. Marcus leitete sie eine steile Steintreppe hinunter, einen langen Gang entlang zur Bibliothek. Hand in Hand traten sie in den Raum, der noch genauso aussah, wie Sophie ihn beschrieben hatte. Tammy war überwältigt. Bücher stapelten sich auf Regalreihen, die bis unter die kuppelförmige Decke ragten und mit Leitern versehen waren, um an die obersten Reihen zu kommen. Unter einem Gemälde, welches das Gestüt zeigte, stand ein massiver Mahagonitisch und in einer der Ecken des großen Zimmers befanden sich eine Couch und zwei Sessel aus dunklem, glänzendem Leder mit Messingbeschlägen an den Lehnen.
Tamara schüttelte den Kopf. „Weshalb zur Hölle willst du ein Vampir werden? Dieser Ort ist faszinierend, aber dennoch wärst du verurteilt, die meiste Zeit unter der Erde zu leben.“
„Das ganze Wissen dieser Welt befindet sich in diesem Bücherlabyrinth. Wissen ist Macht! Und ich sollte die Bibliothek führen, weil der ehemalige Bibliothekar den Freitod gewählt hatte. Das hatte
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