Kesrith – die sterbende Sonne
genug, um anschließend die Stirn zu berühren und ihnen den angemessenen Respekt zu erweisen. Er sah wieder auf und entschleierte sich, eine Höflichkeit, die sie ungern erwiderten.
»Ich bin Niun s'Intel Zain-Abrin«, sagte er in der Hochsprache, die alle Mri bei Formalitäten benutzten. »Ich diene Intel, She'pan des Edun Kesrithun.«
»Ich bin Sune s'Hara Sune-Lir«, sagte der Älteste der anderen, ein alter Mann mit an den Schläfen ergrauter Mähne, der den Eindruck machte, so alt wie Pasev oder Eddan zu sein. Seine Gefährten waren jedoch jüngere, stärker aussehende Männer. »Geht es der She'pan Intel gut?«
»Das Edun ist sicher.«
»Beabsichtigt die She'pan, persönlich zu kommen?«
»Was das angeht, Sir, nicht, bis ich mit Wort von eurer She'pan zurückkehre.«
Er verstand die Haltung der anderen irgendwie als die von Männern, die ihre eigene She'pan, die sich und ihre Leute der She'pan Intel unterwerfen mußte, liebten und verteidigten. Es war nur natürlich, daß sie Intels Gesandtem mit Zurückhaltung begegneten.
»Wir werden dich zu ihr bringen«, sagte Sune s'Hara förmlich. »Komm!« Und höflicher fuhr er fort: »Bist du verletzt?«
»Nein, Sir«, sagte er und erinnerte sich plötzlich errötend, daß er sich diesem Mann nicht beugen durfte, daß er ein Gesandter war, und mehr als das; er verriet sich selbst als sehr jungen Kel'en, der noch keine Erfahrungen mit seiner eigenen Autorität hatte. »Regul und Mri auf Kesrith vertragen sich nicht«, fügte er hinzu und verbarg seine Verwirrung. »Es sind Worte gewechselt worden.«
»Wir sind mit Waffen empfangen worden«, sagte Sune. »Aber wir haben keine Verluste.«
Er ging mit ihnen durch Korridore aus Metall in Hallen, die für Regul entworfen worden waren. Er sah Kel'ein und Kel'e'ein, verschleiert und jung wie er, und sein Puls beschleunigte sich. Er hielt sie für ruhmreich und schön und versuchte, sie nicht anzustarren, obwohl er wußte, daß ihre Augen ihn aufmerksam musterten, als den Fremden, der er unter ihnen war. Einige entschleierten sich in brüderlichem Willkommen, als er ihnen begegnete, und eine große Gesellschaft von ihnen ging mit ihm durch die Korridore zum Hauptraum, zum Zentrum des Schiffes, das jetzt die Halle einer She'pan war.
Sie war in mittlerem Alter. Er trat zu ihr und verneigte sich unter ihre Hände. Dann sah er zu ihr auf, etwas verstört darüber, von einer She'pan nicht in der vertrauten Enge eines Turmes, sondern an diesem metallischen Ort begrüßt zu werden, obendrein noch von einer She'pan, mit der er nicht verwandt war und die auf ihren weißen, blau-gesäumten Gewändern ein Sternenemblem trug, nicht die Hand des Edun Kesrithun.
Sie war eine Fremde, die sterben mußte, die sich entscheiden mußte, zu sterben, oder deren Champion er besiegen mußte, sollte sie die Herausforderung machen. Er betete still zu allen Göttern, daß diese She'pan tapfer und wohlwollend war und mit der Herausforderung vorangehen würde.
Ihre Augen waren hart, und sie lebte in einem Licht, das streng genug war, um zu schmerzen, und die sie umgebende Welt war kalt und aus Metall. Viele, viele Angehörige des Schiffsvolkes umgaben sie nun, ihre She'pan, ihre geliebte Mutter, nicht seine. Er war der Eindringling, eine Bedrohung für ihr Leben.
Sie sahen den Gesandten einer She'pan, der noch keine J'tai in Schlachten gewonnen hatte, ein narbenloser Junge, unerprobt und durch die Herausforderung verwundbar. Er spürte, wie ihre Augen an ihm auf- und abglitten, während sie daran dachte und an diese Welt und die, die ihn geschickt hatten. Hinter der She'pan und um sie herum erblickte Niun goldgewandete Sen'ein und schwarzgewandete Kel'ein; und in den weiter entfernt gelegenen stillen Winkeln der Halle erblickte er Kath'ein in blauen Gewändern, die ihn scheu beobachteten, unverschleiert, freundlich und verängstigt.
Und ringsherum hingen in den anderen Korridoren zahlreiche Reihen von Hängematten wie die Nester der kesrithischen Spinnen, ein Gewebe aus weißen Fäden, das den Zentralraum und die seitlichen Korridore umschnürte. Niun war von der Zahl der zusammengedrängten Masse überwältigt, jedoch traf ihn die plötzliche Erkenntnis, daß dies seine gesamte Art war, ganz auf dieses kleine Schiff zusammengeschrumpft und unter dem augenblicklichen Kommando dieser Frau.
»Gesandter«, sagte sie, »ich bin Esain des Edun Elagun. Wie geht es Intel?«
Ihre Stimme war freundlicher als ihr Gesicht und schoß durch ihn
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