Kesrith – die sterbende Sonne
was Intel sich ersehnt hatte, war ihm zuteil geworden, und sie war endlich fähig gewesen, ihn gehen zu lassen, ihn zu werfen wie die As'ei beim Shon'ai . Und sie hatte ihn nicht verloren. Diese Alten hatten ihm zuviel Liebe erwiesen, als daß er dabei hätte versagen können, die Wünsche Eddans, Intels, Pasevs, Debas' und Lirans zu erfüllen. Sie waren erst sichergegangen, daß er auch Erfolg haben würde, bevor sie ihm zur Mission der She'pan verholfen hatten.
Er durchquerte den Haupteingang, und schloß die Tore hinter sich vor der Nacht, und er erblickte die monströse Gestalt des Miuk-ko , ein Schatten neben der Tür. Der große Kopf wurde gehoben, und die Augen starrten Niun unsichtbar in der Dunkelheit an.
Vielleicht , dachte er mit einem Optimismus, den auch hundert Wiederholungen dieses Kommen und Gehens nicht zerstört hatten, vielleicht diesmal. Es wäre gut, wenn es zumindest diesmal geschähe, daß es mich braucht, wie ich es brauche.
Aber es brummte nur, wandte das Gesicht ab und legte den mächtigen Kopf in den Schlamm. Männlich, weiblich oder keins von beiden; noch nie hatte jemand das Geschlecht eines Dus mit Sicherheit bestimmen können, noch herausgefunden, warum sie zu einem Mri kamen und es ablehnten, zu einem anderen zu gehen; ob dieses eine jetzt begriffen hatte, daß Medai nicht zurückkehren würde, ob es trauerte oder einfach aus Dummheit hungerte und darauf wartete, daß Medai es füttern würde, das konnte Niun nicht ergründen.
Mit einem traurigen Achselzucken ging er seines Weges, hatte diesen halben Schritt kaum innegehalten. Diesmal war sein Vorbeigehen jedoch anders, denn Dinge, die das Dus nicht begriff, hatten sich verändert, waren dabei, sich zu verändern, standen im Begriff, sich zu verändern. Und das Dus, das ihn zurückgewiesen hatte, war verurteilt.
Es war wahrscheinlich, daß die Menschen die Dusei vernichten würden. Die Regul schon hätten es freudig getan, hätten die Tiere nicht unter dem Schutz der Mri gestanden. Die Größe und die sich langsam fortbewegende Kraft der Dusei ähnelte sehr der der Regul, aber die Regul haßten die Dusei instinktiv. Regul konnten sich nicht, wie die Mri, gegen das Gift der Krallen immunisieren; sie konnten sich nicht wie die Mri der Einfachheit der Tiere überlassen. Deswegen flohen die Regul sie.
Und die Unbehaglichkeit, die die Begegnung mit dem Dus in Niun ausgelöst hatte, verblieb in ihm, solange er zu den Ebenen unterwegs war, zu den Dampffahnen der Geysire unter den windverzerrten Wolken. Er roch den Wind, spürte dessen vertraute Kraft, als sei sie ein lebendiges Etwas.
Er ertappte sich dabei, wie er die vertrauten Plätze betrachtete, die er in seinem Leben gesehen und kennengelernt hatte, und jedesmal dachte er: dies ist bei nahe schon das letzte Mal . Im Herzen verspürte er Aufregung und im Magen Unsicherheit, die nichts mit Heldentum oder Begeisterung zu tun hatte. Seine wachen Sinne nahmen die ganze Welt auf, die Düfte der Erde, ätzend und naß, die Berührung des feuchten, heißen Atems der Geysire, die jeder seinen Namen und seine Eigenschaften hatten.
Seine Welt.
Die Heimatwelt.
Das Kel war so unbeständig wie der Wind, aber fä- hig dazu, die Welten zu lieben, auf denen sie heimisch wurden. Es traf ihn, daß sie nicht wußten, wohin sie gehen würden, daß Intel von der Dunkelheit sprach, als sei sie ein Ort, als besäße sie Dimensionen und Tiefe und Dauer, wie die Welt selbst. Ihm fiel ein, daß er, nachdem er Kesrith verlassen haben würde, vielleicht nie wieder Erde unter seinen Füßen spüren konnte. Die Dunkelheit enthielt Versprechungen, darauf hatte die She'pan beharrt, aber Niun konnte sich nicht vorstellen, was sie versprach.
Und jetzt mußte er mit Kel'ein sprechen, die keine alten Männer mit weitreichenden Gedanken waren – Kel'ein, die nur den Krieg kannten, die heikel in ihrem Stolz und den Vorrechten ihrer Kaste waren, auf eine Weise, wie es das freundliche Kel von Kesrith nie gewesen war.
Er würde im Kel von Fremden leben, bei denen es Kath'ein gab, die auf Verlangen ihm gehören würden – und die Möglichkeit, Kinder zu zeugen, seine private Unsterblichkeit zu sehen. Er würde der Sohn einer She'pan sein, der Wahrbruder einer anderen, am meisten geehrt nach den Fen'ein, den Ehemännern, die sie wählen würde, mit den Kel'e'ein und Kath'ein des Edun ihre Kinder zu zeugen – wenn er den Nachfolgekampf überleben würde.
Vor ihm erwuchsen Wahlmöglichkeiten in einer verwirrenden
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