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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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mit allen Fakten, die ich über den Kalten Krieg ausgelassen hatte. Und das war eine ganze Menge, weil ich vermutet hatte, es sei nicht viel passiert zwischen Russland und Amerika, etwa so, als säßen zwei Boxer im Ring und zeigten sich die Muskeln, ohne jemals zu kämpfen.
    Mum übte auch jeden Tag nach der Schule mit Dot Lippenlesen, bis Dad ihr sagte, sie solle der Kleinen auch mal eine Pause gönnen.
    »Wie soll das gehen, wenn du mir keine Alternative erlaubst?«, erwiderte Mum.
    »Dot ist erschöpft«, sagte Dad, und das stimmte: Dot hing mit baumelnden Armen kopfunter über der Sessellehne. »Na komm, Jane. Das reicht für heute.«
    »Sie albert herum«, sagte Mum und zerrte Dot wieder hoch.
    »Ihr übt doch schon seit einer Stunde!«
    »Seit einer Stunde und zweiundzwanzig Minuten«, murmelte Soph, die am Klavier saß und Mollakkorde spielte. Sie klang so elend, dass ich sie an der Hand packte und nach oben zog, zum Schrank im Elternschlafzimmer.
    Mums Kleider schwangen hin und her, als wir hineinkletterten und es uns zwischen den Schuhen gemütlich machten. Ich öffnete das Federmäppchen und gab Soph zum Trost meinen Lieblingsfüller.
    »Was ist los?«, fragte ich in die Dunkelheit hinein. Es gab kaum Mondlicht, weshalb es im Schrank ziemlich finster war. Ich nahm mir einen Buntstift und sog fest daran. Soph nagte an ihrer Lippe. »Okay«, sagte ich. »Ich mach dir einen Vor schlag. Wenn du mir dein Geheimnis erzählst, sag ich dir meins.«
    Soph überlegte einen Moment, dann platzte sie heraus: »Die sagen immer ganz gemeine Sachen zu mir.«
    »Wer?«
    »Die Mädchen aus meiner Klasse. Alle. Und heute Abend übernachten sie zusammen und wollen den Geist vom Ouija-Brett nach meinen Geheimnissen fragen.«
    »Hast du das den Lehrern gesagt?« Soph schaute mich an, als hätte ich den Verstand verloren, deshalb legte ich meinen Buntstift in einen Schuh und packte sie an den Händen. »Du musst es jemandem sagen.« Soph verzog das Gesicht. »Du musst das unbedingt machen«, sagte ich entschieden. »Dann sprich wenigstens mit Mum oder Dad, wenn du in der Schule schon nichts sagen willst.«
    »Okay«, flüsterte Soph und nickte leicht. »Wenn es schlimmer wird. Dann red ich vielleicht mit Mum.«
    Da ich jetzt an der Reihe war, erzählte ich von Max.
    »Er will immer, dass wir uns bei den Spinden treffen.«
    »Und machst du das?«
    »Na, er ist schließlich Max Morgan. Da sagt man nicht Nein.«
    »Und was passiert dann da?«
    Ich verdrehte die Augen. »Was glaubst du wohl, Soph.«
    »Also bist du jetzt seine Freundin oder so?«, fragte Soph und saugte am Füller.
    »Eher oder so . Er hat mich noch nicht gefragt, ob ich mit ihm gehen will.«
    »Also küsst ihr euch nur und redet und …«
    »Wir reden nicht mal. Wir knutschen nur. Aber nicht jeden Tag. Nur wenn er will. Ich glaube allerdings schon, dass er auf mich steht.«
    »Und du? Stehst du auch auf ihn?«
    »Ja, schon«, sagte ich und dachte an Max’ braune Haare und seine braunen Augen und das schiefe Lächeln, das die anderen neidisch machte, wenn es mir galt.
    »Warum fragst du ihn dann nicht, ob er mit dir gehen will?«, schlug Soph vor. Ich murmelte irgendwas von Mum, aber du weißt ja, Stuart, dass sie in Wirklichkeit nicht der Grund war für meine Zögerlichkeit.
    Seit der Fensterszene war Aaron noch dreimal in der Bibliothek gewesen. Er schrieb, und ich sortierte Bücher ein, aber während unsere Körper mit den jeweiligen Aufgaben beschäftigt waren, vollführten unsere Augen einen heimlichen Tanz. Sie trafen sich, entfernten sich. Trafen sich, entfernten sich. Kamen zusammen, blieben zusammen, blinzel blinzel bliiiinzel … dann lächelten wir scheu, und das Ganze ging wieder von vorn los. Wir redeten auch, über alles und nichts, flüsterten zwischen den Bücherregalen und an seinem Tisch und einmal am Eingang, wo ich Plakate für eine Lesegruppe aufhängte. Ich fragte nicht nach der Rothaarigen, und Aaron brachte sie nicht zur Sprache. Ganz ehrlich, ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich wollte, und beschloss deshalb, erst mal abzuwarten, was passierte. Wo das alles hinführte. Konnte nicht schaden, sagte ich mir. Solange ich mit Aaron nicht herumknutschte und ich nicht fest mit Max liiert war, tat ich nichts Unrechtes.
    Am 19. Dezember arbeitete ich zum letzten Mal vor Weihnachten in der Bücherei. Draußen lagen fünfzehn Zentimeter frischer Pulverschnee, strahlend weiß und fluffig, die Sorte Schnee, die man auf einer Weihnachtskarte durch

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