Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
Vom Netzwerk:
fortgesetzt.
    »Hör mal, es besteht kein Grund, so viel für einen Truthahn auszugeben, wenn das Geld ohnehin knapp ist«, sagte Dad.
    »Das Geld ist nur deshalb knapp, weil du keinen Job …« Mum stockte und griff nach einer Tüte Sojasprossen.
    »Nur zu«, knurrte Dad. »Sag es ruhig. Du traust dich bloß nicht.«
    »Meinst du, die reichen?«, fragte Mum und wog die Tüte in der Hand.
    Zuletzt setzte Mum sich durch, was den Truthahn anging, und er war trotz allem knusprig und köstlich und duftete wunderbar, während er am Weihnachtsmorgen im Ofen briet und wir unsere Geschenke auspackten. Großvater hatte uns ausnahmsweise etwas geschickt, einen Geldschein in einer Karte (allerdings mit Dads Handschrift verfasst). Als Soph ihren Zwanzig-Pfund-Schein in den Bund ihrer Schlafanzughose steckte, strahlte Dad und fragte Mum, ob es okay sei, wenn wir Großvater besuchen würden, vielleicht am zweiten Weihnachtsfeiertag, aber sie sprühte nur ihr neues Parfum auf ihre Handgelenke und roch mit geschlossenen Augen daran.
    »Der Weihnachtsmann ist blöd«, gebärdete Dot, als Mum und Dad in die Küche gingen, um die Füllung für den Truthahn zu machen. Die Gebärdensprache fiel ihr jetzt wieder leichter, weil sie den Verband losgeworden war. »Er hat meine Wunschliste nicht mal gelesen.«
    »Was hast du dir denn gewünscht?«
    »Einen iPod.«
    »Aber du kannst doch gar keine Musik hören.«
    »Oder ein Handy. Ich will schließlich auch mal was Tolles haben.« Sie hielt ihren kaputten Taschenrechner hoch und drückte traurig auf die Tasten.
    Abends war sie dann wieder fröhlicher und kam splitternackt in mein Zimmer gerannt, um zu fragen, ob ich ihr neues Schaumbad riechen wolle. Als ich sie hochhob und ins Wasser setzte, schnüffelte ich.
    »Orangen?«, gebärdete ich. »Oder Pfirsich? Oder Erdbeeren, Bananen und Kiwis gemischt?« Soph verzog das Gesicht. Sie lehnte an der Heizung und versuchte Skull zu einem Sprung über eine Hürde zu bewegen, die sie aus einer Flasche Antischuppen-Shampoo und zwei Seifenstücken gebaut hatte. Dot planschte in der Wanne herum und berichtete von einem Projekt aus der Schule, bei dem sie eine Zeitkapsel für die Zukunft bastelten. Alle möglichen Dinge sollten da in eine Kiste gepackt und dann in der Erde vergraben werden.
    »Ich werde nur eine Sache reintun. Einen Löwenzahn.«
    »Einen Löwenzahn?«
    »Um den Aliens in hundert Jahren zu zeigen, was für Blumen wir jetzt haben«, erklärte Dot. Soph grinste, ich auch, und Dot strahlte inmitten ihrer Schaumberge, aber ich glaube nicht, dass sie verstand, was wir komisch fanden.
    »Der Löwenzahn wird in hundert Jahren aber hinüber sein«, sagte Soph laut.
    »Schsch«, machte ich, aber Soph feixte weiter.
    »Der Löwenzahn wird verfaulen, Dot«, gebärdete sie. Dot runzelte erschrocken die Stirn.
    »Aber nicht, wenn du ihn vorsichtig in die Kiste legst«, gebärdete ich und warf Soph einen wütenden Blick zu. Sie streckte mir die Zunge heraus. »Dann wird er das überstehen.«
    »Meinst du, die Aliens mögen ihn?«, fragte Dot.
    Ich hob sie aus dem Wasser und legte das Handtuch um sie. »Die finden ihn bestimmt ganz toll.«
    Als Dot trocken war, brachte ich sie zu Bett und versuchte das Gezeter von Mum und Dad zu überhören, die sich unten darüber stritten, wer den Abwasch machen sollte. Ich kuschelte mich zu Dot unter ihre Decke und erzählte ihr mit Gebärdensprache eine Geschichte über den kleinen grünen Mann, der in den Ampeln wohnte. Als ich fertig war, verlangte Dot, dass ich sie noch mal erzählen sollte.
    »Gierig!«, gebärdete ich und kitzelte sie.
    »Na gut, willst du dann lieber dein Weihnachtsgeschenk?«, fragte sie, und bevor ich antworten konnte, ließ sie sich aus dem Bett fallen und zog eine Plastiktüte darunter hervor.
    »Ein Buch!«
    »Das ist nicht das Geschenk«, erwiderte Dot und schlug das Buch vorsichtig auf. »Blumen verfaulen gar nicht, Zoe. Schau .« Zwischen den Seiten lag ein getrockneter, gepresster Löwenzahn. »Das ist doch deine Lieblingsblume, hast du im Garten gesagt.«
    »Stimmt«, gebärdete ich, und das war auch nicht gelogen, Stuart, denn plötzlich war Löwenzahn wirklich meine Lieblingsblume.

    »Frohe Weihnachten«, gebärdete Dot.
    »Frohe Weihnachten«, flüsterte ich, und jetzt muss ich aufhören, Stuart, deshalb wünsche ich dir auch: Frohe Weihnachten.
    Liebe Grüße
Zoe

1 Fiction Road
Bath
    1. Januar
    Hi, Stuart,
    tja, eigentlich wollte ich dir mit meinem Glas Wasser zuprosten und dir

Weitere Kostenlose Bücher