Ketchuprote Wolken
glaube, ich muss nach Hause.« Ich zog Max’ Jacke aus. »Mich hinlegen. Allein «, fügte ich hinzu, weil Max mir zuzwinkerte.
Ich drehte mich um und marschierte los, um möglichst schnell meine Eltern anzurufen, damit mich jemand früher abholte.
»Was ist mit deiner Jacke und deinen Sachen?«, rief Max mir nach.
Ich blieb stehen und fluchte leise vor mich hin. »Ähm, die sind in Laurens Zimmer. Könntest du sie mir bitte holen?« Max sah alles andere als begeistert aus, verschwand aber im Haus.
Aaron und ich waren allein. Und blieben stumm.
Ich fragte mich, ob sein Herz auch so hämmerte wie meines.
»Tut mir leid«, sagte ich schließlich. »Ich hätte es sagen sollen.«
Aaron schniefte. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist ja nichts gelaufen zwischen uns.«
Ich schluckte. Zögerte. Bewegte die Finger. »Irgendwas war da aber schon …«
Aaron machte ein erstauntes Gesicht. »Ach ja?«
Ich trat auf ihn zu und murmelte. »Das weißt du auch.«
Aaron verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist nur ein Mädchen, dem ich mehrmals begegnet bin. Und das ich quasi nicht kenne.«
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag in die Magengrube. »Das meinst du nicht so.«
Er nickte mehrmals. »Doch. Ihr gebt ein gutes Paar ab, du und mein Bruder.«
»Wir sind kein Paar.«
»Das seh ich anders.«
Ich strich mir das Haar aus den Augen. »Es tut mir wirklich leid, okay?«
Aarons Tonfall veränderte sich nicht, als er erwiderte: »Wie gesagt: Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du kannst dich treffen, mit wem du willst. Warum auch nicht?«
»Weil wir zwei …«
»Freunde sind«, unterbrach Aaron. »Wenn überhaupt. Vermutlich eher Bekannte.«
»Na schön!«
»Das ist schön«, sagte Aaron so überlegen, als sei ich irgendwie hysterisch oder so. Ich starrte ihn wütend an, und es mag ja sein, dass ich kein Recht darauf hatte, wütend zu sein, Stuart, aber sag das mal der Wut, wenn sie in einem herumtobt.
»Wenn du es so willst!«, fauchte ich.
»Es ist einfach so«, erwiderte Aaron im selben ungerührten Ton. Er lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. »Viel Spaß mit meinem Bruder«, sagte er noch, dann wandte er sich um und ging ins Haus zurück, und als ich ihm nachsah, beschloss ich auf der Stelle, dass ich von jetzt an genau das haben wollte: Spaß mit Aarons Bruder.
Der erste Morgen des neuen Jahres begann mit einem leuchtend roten Sonnenaufgang, als lodere meine ganze Wut am Himmel. Ich hatte kaum geschlafen, sondern mich fast die ganze Nacht herumgewälzt und gegrübelt, bis ich nicht mehr wusste, was Aaron gesagt hatte oder ich selbst. Aber ich wusste ganz genau, dass er alles FALSCH machte, und das Wort habe ich deshalb groß geschrieben, Stuart, um dir zu zeigen, wie SICHER ich mir dessen war.
Ich riss die Kühlschranktür auf, in Gedanken bei meinen Racheplänen, und schüttete wütend Milch auf meine Flocken. Ich würde dafür sorgen, dass Max sich in mich verliebte, und vielleicht verliebte ich mich auch in ihn, und dann würden wir auf Berge steigen und auf dem Gipfel im Nebel sitzen, und ich würde keine Hausaufgaben mehr machen, und das geschah allen recht. Ich feuerte einen Löffel in die Spüle, wo er klirrend in eine Schüssel fiel.
»Dir auch ein frohes neues Jahr«, sagte Soph mampfend.
»Manieren, Sophie«, sagte Mum und schaute von ihrem Laptop auf.
Nur Dot war gutgelaunt und spazierte mit einem Blatt Papier herum, auf das sie ihre guten Vorsätze geschrieben hatte.
»Zuerst mach ich eine Diät«, gebärdete sie und zeigte auf ihren runden Bauch. »Dann schaue ich den Vögeln zu, damit ich fliegen lerne. Und drittens bin ich nett zu allen Menschen außer Lehrern und Fremden, die mich stehlen wollen, und viertens …« Sie plapperte immer weiter, setzte sich dann auf meinen Schoß und fragte mich nach meinen guten Vorsätzen.
»Hab keine.«
»Wie wär’s mit dem Vorsatz, fleißig zu lernen und bei den Prüfungen am Schuljahrsende gute Noten zu schreiben?«, warf Mum ein, ohne von ihrer Website über Cochleaimplantate aufzuschauen.
»Das sind nur Übungstests.«
»Die sind auch wichtig, Zoe. Wenn du Jura studieren willst, dann …«
»Wer sagt denn, dass ich das will?«, fauchte ich.
Mum tippte etwas. »Was willst du denn sonst machen?«
»Schreiben vielleicht. Oder auch nicht. Ich weiß es noch nicht. Ich brauche vorerst keine Pläne.«
»Das ist doch lächerlich«, seufzte Mum und tippte auf ein paar Tasten.
»Nein, ist es
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