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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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Donnerstagabend setzte Mum mich bei Lauren ab. Ich hatte erzählt, wir müssten noch das Referat über Flüsse zu Ende schreiben.
    »Das zieht sich aber sehr lange hin, oder nicht?«
    »Der Nil ist auch ein langer Fluss«, erwiderte ich ungerührt und stieg aus.
    Im Rückblick kann ich kaum noch verstehen, wie ich mich so kaltblütig benehmen konnte. Kaum war Mum losgefahren, wandte ich mich von Laurens Haus ab, ging über den Zebrastreifen und lief schnell durch das grüne Licht des Drachen im chinesischen Imbiss, ohne auch nur eine Kapuze aufzu setzen. Ich hoffe, du verstehst mich nicht falsch, Stuart: Mir kamen schon Zweifel, als ich dann vor Max’ Haustür stand. Die auch Aarons Haustür war. Aber die Zweifel waren nicht so stark, dass ich es mir anders überlegt hätte. Aaron hatte mir gesagt, ich könne mich treffen, mit wem ich wollte. Und er hatte mir viel Spaß mit seinem Bruder gewünscht. Ich richtete mich zu voller Größe auf und klopfte zweimal an die Holztür.
    Schlüssel klirrten, und die Tür knarrte. Ich leckte mir über die Lippen und setzte ein Lächeln auf. Ein breiter Lichtstrahl fiel auf den Gartenweg, und ich sah mich einem blonden etwa neunjährigen Mädchen in einer Latzhose gegenüber, das eine Kamera umgehängt hatte.
    »Wer bist du?«, fragte sie, bevor ich etwas sagen konnte.
    »Zoe. Und wer bist du?«
    »Fiona.« Ich lächelte sie an, aber sie reagierte nicht darauf. »Willst du zu Aaron oder zu Max?«
    Gute Frage. »Zu Max. Wenn er da ist.«
    Das Mädchen drehte sich um, ließ die Tür offen stehen und rannte die Treppe hinauf. Ich zögerte, als ich zwei Paar Jungen-Sneakers auf der Fußmatte stehen sah, zwang mich dann aber, darüber hinwegzusteigen und hineinzugehen. In der Küche dröhnte der Fernseher, und es roch nach geschmolzenem Käse und Knoblauch. Ich hörte das Klirren von Gläsern und das Klappern von Geschirr. Jemand war am Kochen.
    »Hallo?«, rief ich unsicher.
    »Du musst Zoe sein«, sagte eine Stimme, und jemand spähte hinter der Tür hervor. Sandra hatte ihre schwarzen Haare mit den mahagonibraunen Strähnen im Nacken zusammengebunden. Sie lächelte mich an, doch dann verengten sich ihre Augen . »Kennen wir uns?«
    »Nein«, sagte ich schnell, aber dann fiel mir schlagartig ein, dass sie mich vor der Bücherei gesehen hatte. Neben dem Schneemann. Mit Aaron.
    »Sicher? Du kommst mir so bekannt vor.«
    »Na ja, so indirekt«, sagte ich möglichst lässig. »Ich war schon mal hier, aber wir haben uns nicht richtig …«
    »Das muss es sein! Komm rein.« Ich folgte ihr in die Küche. »Limonade?«, fragte sie und schenkte mir ein, bevor ich antworten konnte. » Max !«, schrie sie dann zur Tür hinaus. »Setz dich, Süße. Er wird gleich da sein.«
    Ich hockte mich an den kleinen Tisch in der Ecke und tat, als verfolge ich mit großem Interesse die Talkshow im Fernsehen. Der Moderator, dessen gebräuntes, faltiges Gesicht mich an eine gekochte Wurst erinnerte, verkündete, es sei jetzt Zeit für den Lügendetektortest.
    »Das ist mein Lieblingsteil«, murmelte Sandra. »Magst du Pizza?«
    »Ja, gern.«
    »Sind im Ofen. Ich hab auch Salat gemacht.« Sie hob eine Zellophantüte hoch, die Kopfsalat, gehäckselte Karotten und irgendetwas Violettes enthielt, das nach Roter Bete aussah. »Na ja, der Laden hat ihn für mich gemacht. Heute Abend gibt’s Essen à la supermarché .« Das sollte eindeutig witzig sein, und ich zwang mich zu lachen, als Sandra den Salat in eine Schüssel gab und sie auf den Tisch stellte. »Das sollte für uns fünf reichen.«
    Ich. Sandra. Max. Fiona. Und Aaron.
    Meine Beine verkrampften sich, und ich presste unter dem Tisch die Knie zusammen. Es würde passieren. Es würde jetzt wirklich passieren. Und ich musste es durchstehen.
    »… und Max hat mir erst vor etwa zwei Sekunden gesagt, dass du kommst, ich konnte also leider nichts anderes mehr machen. Aber na ja, Pizza mag eigentlich jeder, oder?«
    »Ja. Ja, klar«, sagte ich schnell.
    »Max!«, schrie Sandra noch einmal und nahm Besteck aus der Schublade. »Fiona! Aaron! Essen ist fertig!«
    Oben knarrte der Boden. Zwei Brüder standen auf. Zwei Paar Füße bewegten sich zur Tür.
    Ich hörte ein Geräusch hinter mir und wappnete mich, aber es war nur Fiona. Sie starrte mich über den Tisch hinweg an.
    Schritte im Flur. Von zwei Paar Füßen.
    Ich drehte mich um, und da standen sie. Da stand er , Stuart, denn ich hatte nur Augen für Aaron. Er sah so schön aus in seinem schlichten T-Shirt

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