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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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nicht«, versetzte ich trotzig. »Das hat alles noch Zeit, oder? Ich werde sehen, worauf ich Lust habe, wenn ich mit der Schule fertig bin.« Mum schnalzte missbilligend mit der Zunge, und ich äffte sie nach und wurde daraufhin wegen Frechseins auf mein Zimmer geschickt.
    Mein Zimmer war unordentlich, aber ich räumte nicht auf, sondern hockte mich an meinen Schreibtisch und wartete darauf, dass Aaron anrief, um sich zu entschuldigen. Ich weiß nicht, ob das Handy vor oder nach deiner Verurteilung erfunden wurde, Stuart, und ob du vielleicht gar nicht weißt, wie es sich anfühlt, stundenlang auf eine SMS zu warten. Falls ja, dann sei froh, denn das ist die reinste Folter. Man hört ständig imaginäre Töne, hofft und hofft und hofft, und es macht einen total fertig, wenn man die ganze Zeit nur auf ein leeres Display starrt.
    An diesem Tag wollte die Zeit nicht verstreichen, und nicht mal Fernsehgucken half dagegen. Es liefen nur alte Filme. Bestimmt hast du schon mal von Vom Winde verweht gehört, Stuart, und vielleicht hast du den Film sogar gesehen, und wenn ja, frage ich mich, ob du es geschafft hast, wach zu bleiben, weil er ja unheimlich lang ist – so lang, dass ich wäh renddessen zweimal aufs Klo musste. Als ich auf dem Sofa herumzappelte, flüsterte Mum »halt durch«, als gäbe es dafür eine Belohnung. Ich habe tatsächlich die ganzen vier Stunden angeschaut, weil ich wissen wollte, wie die Liebenden am Ende zusammenkommen. Da kannst du dir sicher vorstellen, Stuart, wie enttäuscht ich war, als Rhett, der Mann, Scarlett, diese Frau, vor dem Abspann verlässt. Ich schaute Mum mit so einem Das-kann-doch-wohl-nicht-wahr-sein-Blick an, aber Rhett kam wirklich nicht zurück, und Scarlett lief ihm nicht nach, und damit war der Film zu Ende.
    Vom Winde verweht war noch enttäuschender als Gesprengte Ketten (in dem die Flüchtlinge dann doch nicht entkommen können), und deshalb nahm ich Mum die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher aus.
    »Hat er dir nicht gefallen?«, sagte Mum. »Das ist eine der größten Liebesgeschichten aller Zeiten.«
    »Das ist doch total deprimierend.«
    »Aber weniger schlimm als Titanic«, warf Soph gähnend ein. »Zumindest ist Rhett nicht erfroren und dann im Meer versunken.«
    Die Tür sprang auf, und Dot kam mit Skull im Arm hereingerannt und ließ sich auf die Knie plumpsen. Skulls Ohren ragten über ihre Schulter.
    »Ist das Ding mit dem Wind vorbei?«, gebärdete sie.
    » Vom Winde verweht «, korrigierte Mum.
    »Ich weiß, warum das so heißt.« Dot grinste vergnügt.
    Mum überlegte. »Ich glaube, der Film heißt so, weil Rhett am Ende verschwindet, als sei er vom Wind weggeweht worden«, gebärdete sie ernsthaft.
    Dot schüttelte den Kopf und kicherte. »Weil der Mann gepupst hat, als er weggeht.«
    Ich fühlte mich elend und war total sauer, als ich abends ins Bett ging. Mein Handy lag auf meinem Nachttisch, und ich schaute ein letztes Mal aufs Display. Es leuchtete grün, ohne Nachricht, und ich machte Schattenfiguren an der Wand. Neben meinem Bücherregal bellte ein Hund, und eine Katze spazierte auf ihn zu, und obwohl Katzen und Hunde sich nor malerweise nicht vertragen, schafften diese beiden es und kuschelten sich auf einem Wörterbuch zusammen. Ich schaute sie noch ein Weilchen an, und dann drehte ich mich auf die Seite und sehnte mich so entsetzlich nach Aaron, dass es regelrecht wehtat. Draußen rüttelte der Wind am Fenster, und offen gestanden, Stuart, fürchtete ich, dass auch Aaron vom Winde verweht sein könnte.
    Liebe Grüße
Zoe

1 Fiction Road
Bath
    22. Januar
    Hi, Stuart,
    gerade habe ich die Nachricht gelesen. Sie stand schon seit ein paar Tagen im Internet, aber ich habe erst heute Abend den Computer eingeschaltet. Wenn ich ins Internet gehe, gebe ich auch meist deinen Namen ein, und heute habe ich einen aktuellen Artikel im Texas Online Chronicle gefunden, in dem stand, dass deine Hinrichtung auf den 1. Mai festgesetzt wurde.
    Der 1. Mai, Stuart. Das kann nicht wahr sein. Von allen möglichen Tagen ausgerechnet dieser.
    Meine Hände zittern, und das Schreiben fällt mir schwer, obwohl ich in einem nagelneuen Gartenstuhl sitze, den Dad wahrscheinlich irgendwo im Sonderangebot gekauft hat. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie dir zumute sein muss, Stuart. Meiner Berechnung nach wachst du vermutlich gerade auf, weil es in Texas sechs Stunden später ist als in England, und ich wette, du kriegst dein Frühstück nicht runter. Ich werde

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