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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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fragen.
    »Weshalb willst du ihr schreiben?«, fragte Mr Andrews und schrieb etwas für den Unterricht an die Tafel.
    »Weil …«, setzte ich an und versuchte meinen ganzen Mut zusammenzunehmen, weil ich gleich lügen musste.
    »Ach so, deshalb«, scherzte Mr Andrews und zeichnete ein ans Kreuz geschlagenes Strichmännchen.
    »Weil ich Gott gefunden habe.«
    »Wo denn?« Er zeichnete eine Sprachblase an den Mund von Jesus und schrieb in Großbuchstaben AAARRRGH hinein. Das hätte von mir kommen können. Mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet.
    »In … meinem Bleistiftkasten. Sir.«
    »Er hat sich wohl einen Radiergummi geliehen?«
    »Nein. Als ich in Mathe meinen Bleistiftkasten aufgemacht habe, spiegelte sich ein Lichtstrahl im Deckel, und auf dem Tisch erschien ein Kreuz.«
    »Wie rührend«, sagte Mr Andrews. »Wirklich.« Er warf den Stift auf sein Pult. »Sie kommt aus einem Kloster in Edinburgh. St. Catherine. Und sie heißt Janet.«
    Janet wird bald einen Brief von mir bekommen, Stu, keine Sorge. Als ich aus der Schule trat und die Sonne mir ins Gesicht schien, hatte ich zum ersten Mal seit Monaten gute Laune. Ich beeilte mich, um möglichst schnell nach Hause zu kommen und mit deiner Kampagne anzufangen. Ich hatte vor, deine Gedichte auszudrucken, um sie der Nonne zu schicken, und deine guten Eigenschaften aufzulisten, damit Janet weiß, dass du all das bist:
    – ein guter Zuhörer
    – verständnisvoll
    – kreativ
    – ein bisschen wie Harry Potter, weil …
    Und da sah ich es.
    DOR1S.
    Vor meinem Haus.
    Zwei braune Augen beobachteten mich, als ich näher kam.
    »Hi«, rief ich von der anderen Straßenseite.
    »Wo hast du gesteckt? Ich hab auf dich gewartet.«
    Auf mich gewartet? »Ich … ich … musste noch mit meinem Religionslehrer sprechen. Wieso fährst du … ich meine, wieso bist du mit diesem Auto hier?«
    »Meins ist zur Reparatur«, erklärte Sandra. »Und das hier steht seit Monaten unbenutzt in der Garage herum.«
    Ich konnte den Blick nicht von dem Auto wenden. Die blauen Türen. Das verbeulte Dach. Die drei Räder.
    »Alles okay?«, fragte ich, als Sandra mich zu sich winkte. Ich sah mein Spiegelbild im Wagenfenster. Bleich. Argwöhnischer Blick. Dünner, als mir bewusst gewesen war.
    Sandra lächelte plötzlich, aber es sah seltsam aus. Irgendwie irr. »Ich muss dir was sagen.« Sie schnallte sich ab, und ich wich zurück, als sie ausstieg. »Es wird eine Gedenkfeier geben.«
    »Eine was?«
    »Die Idee kam mir erst vorhin, und ich bin gleich hergefahren, um es dir zu erzählen. Ich möchte den ersten Jahrestag begehen. Etwas Besonderes für ihn tun.« Sie legte ihre knochige Hand auf meine Schulter. Mein entsetztes Gesicht deutete sie natürlich völlig falsch. »Keine Angst, du darfst auch mitmachen. Etwas vorlesen oder so.«
    »Nein!«, sagte ich. Sandras Lächeln veränderte sich nicht. »Ich weiß nicht, ob ich das kann. Vor all den anderen.«
    Sandra drückte meine Schulter. »Ich weiß, es ist schwer, aber wir müssen irgendetwas tun, um sein Andenken zu bewahren.« Ich hätte beinahe laut aufgelacht, Stu. Als könnte ich ihn je vergessen. Als wäre das so leicht. Sandra wandte sich dem Wagen zu und holte einen Notizblock aus ihrer Handtasche. »Ich hab schon ein paar Ideen«, sagte sie und blätterte mehrere Seiten um, die mit krakeligen Notizen bedeckt waren. »Hast du Zeit, dir ein paar anzuhören?«
    »Hab Flötenstunde«, sagte ich schnell, was frei erfunden war.
    »Oh. Na gut. Da kann man nichts machen.« Sie klappte den Notizblock zu. »Dann vielleicht ein andermal.«
    »Klar«, sagte ich und marschierte los. »Bis dann.«
    Bevor ich an unserer Zufahrt ankam, rief Sandra mir nach: »Wann genau?«
    Ich blieb stehen. »Wann immer es dir passt«, sagte ich, ohne mich umzudrehen.
    »Soll ich dich anrufen? Du kannst zu mir kommen. Dieses Wochenende vielleicht? Dann können wir die Planung zusammen machen.«
    Ich schloss die Augen und versuchte, meine aufsteigende Wut zu beherrschen. »An diesem Wochenende hab ich schon was vor.«
    »An beiden Tagen?«
    »Na ja, nein, aber …«
    »Dann ruf ich dich an«, sagte Sandra. Ich drehte mich um und sah, wie sie ins Auto stieg und dabei mit der Schulter an Fräulein Roth stieß. Die rote Figur schwang hin und her, und ich vermisste Aaron so schlimm, dass jeder Knochen in meinem Körper zu schmerzen schien, als hätte ich überall Zahnweh, und genauso war es auch vor einem Jahr, Stu, als ich mich nach unserem Streit so sehr nach ihm

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