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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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Er hat morgen einen Test«, sagte sie zu mir. »Geschichte. Ist ein kluger Junge.«
    »Stimmt«, sagte Max mit einer Mischung aus Neid und Stolz. »Er hat ein großes Hirn, aber ich hab andre große Teile …«
    »Also ehrlich!«, sagte Sandra und verdrehte die Augen. »Ich bin auch noch hier, weißt du!«
    »Ich meine doch mein Herz «, witzelte Max und legte sich die Hand auf die Brust.
    Sandra schnaubte und stellte den Fernseher lauter, als wir in den Flur rausgingen.
    Da seine Mutter zu Hause war, konnten Max und ich in seinem Zimmer nicht viel machen, außer uns auf sein Bett zu setzen und zu reden. Nachdem zum dritten Mal Schweigen eintrat, schaute ich mich um, verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Gesprächsthema.
    »Ist das dein Vater?«, fragte ich. An der Wand hing ein großes gerahmtes Foto von einem Mann mit Schnurrbart. Auf dem Schoß des Mannes saß ein kleiner Junge. »Du warst ja süß.«
    »Siehst du eigentlich, was ich da anhabe?«
    Ich kicherte über die kleine gelbe Unterhose. »Wie alt warst du da?«
    Max stand auf und betrachtete das Foto. »Weiß nicht. Sieben oder so.«
    »Fehlt dir dein Vater?«
    »Nee«, sagte Max zu laut.
    »Er sieht nett aus. Mal abgesehen von dem großen Schnäuzer.«
    »Den hat er inzwischen nicht mehr. Seine neue Freundin mochte den offenbar auch nicht.«
    »Kann ich dich was fragen?«, sagte ich unvermittelt.
    »Klar.«
    »War es schlimm, als deine Eltern sich getrennt haben?« Max zuckte zusammen, und ich sagte: »Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst. Tut mir leid. Es ist nur so, dass meine Eltern sich dauernd streiten, und manchmal denke ich … weißt du … dass sie sich auch … Aber egal. Tun sie wahrscheinlich doch nicht.« Max angelte mit der Ferse einen Ball unter seinem Tisch hervor und dribbelte damit durchs Zimmer, ohne mich anzuschauen. »Machst du gut.«
    »Nicht gut genug«, murmelte er und kickte den Ball so heftig gegen seinen Schrank, dass er wackelte.
    »Ach, nun hör aber auf! Du bist der beste Spieler der Schule und weißt es auch.«
    »Schon, aber wie viele Schulen gibt es im ganzen Land?«, erwiderte er und ließ den Ball spielerisch zwischen den Füßen hin und her gleiten.
    »Keine Ahnung.«
    »Rate.«
    »Zwanzigtausend? Oder dreißigtausend?«
    »Nehmen wir mal an, es sind fünfundzwanzigtausend. Dann gibt es genauso viele Jungen wie mich, die der Beste ihrer Schule sind.« Er kickte den Ball zu mir, und erstaunlicherweise schaffte ich es, ihn zurückzutreten. »Fünfundzwanzigtausend. Und wie viele von denen schaffen es Profifußballer zu werden, was meinst du?«
    »Weiß nicht«, murmelte ich, »aber ich versteh, was du meinst. Das ist heftig.«
    »Im Gegensatz zu meinem Bruder, der in allem gut ist, kann ich nur gut Fußball spielen, allerdings auch nicht gut genug, um damit später mal meinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
    »Das ist scheiße.«
    »So sieht’s aus.« Er kickte den Ball wieder zu mir, aber diesmal verfehlte ich ihn, und er rollte unters Bett. Ich bückte mich, um ihn rauszuholen, entdeckte dann aber etwas.
    »Ist das ein …«
    »Nein!«
    »Doch!«, rief ich aus und deutete auf ein halbfertiges Puzzle, bestimmt fast fünfhundert Teile auf einem Tablett. Der fertige Teil ergab ein Fußballstadion mit Tausenden von Fans.
    »Nicht raufholen!«, stöhnte Max, als ich das Tablett hervorzog und aufs Bett stellte.
    »Das ist genial.«
    Er starrte mich zweifelnd an. »Meinst du das ernst?«
    »Absolut genial.«
    »Ist doch nur ein Puzzle«, murmelte er, schien sich aber zu freuen.
    »Oh nein«, widersprach ich und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nur ein Puzzle. Sondern der Beweis.«
    »Was für ein Beweis?«
    Ich klimperte mit den Wimpern. »Dass Max Morgan ein bislang verkanntes Genie ist.«
    »Das ist ja wohl echt übertrieben«, sagte er, doch wir lächelten beide, als wir das Tablett zwischen uns stellten und uns ans Werk machten.
    Es machte Spaß, war aber auch schwierig, weil die Teile des Spielfelds alle dieselbe grüne Farbe hatten. Nach einer Stunde hatten wir eine Eckfahne geschafft und betrachteten sie zufrieden, bevor wir nach unten ins Wohnzimmer gingen. Sandra schlief mit offenem Mund auf der Couch.
    »Muss eingenickt sein«, murmelte sie schläfrig, als Max sie wachrüttelte.
    »Danke, dass ich hier sein durfte«, sagte ich und zog meine Jacke an. »Und danke auch für die Pizza.«
    »Gerne«, sagte sie lächelnd. »Wie kommst du nach Hause?«
    »Zu Fuß.«
    »Das geht nicht, Süße. Es ist

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