Ketchuprote Wolken
einfach nicht, Zo. Ganz ehrlich. Wir mussten uns mit meinem Vater treffen. Letzten Mittwoch war er mit seiner Freundin schick essen, und nun wollte er uns heute Nachmittag was Wichtiges sagen.«
Ich schloss die Augen, hatte eine üble Vorahnung. »Und das war …?«
»Sagen wir’s mal so: Sie trennen sich nicht.«
»Ist sie schwanger?«
»Nee. Sie heiraten. Er hat ihr am Valentinstag einen Antrag gemacht. Die Hochzeit ist im April.«
»April? Ist das nicht ein bisschen sehr schnell?«
»Sie sehen keinen Sinn darin zu warten. Du hättest ihn mal hören sollen«, sagte Aaron. Er klang angewidert. »Er ist verliebt bis über beide Ohren.«
»Kommst du klar?«
»Ich schon, aber Max … Er hat es geschafft, sich zusammenzureißen, während wir mit meinem Dad zusammen waren. Aber zu Hause ist er eingebrochen. Übelst.«
Ich riss mir die Decke vom Kopf, weil ich plötzlich Luft brauchte. »Wir müssen es ihm aber trotzdem sagen.« Aaron antwortete nicht. Ich rollte mich auf den Rücken und starrte an die Decke, die Hand auf der Stirn. »Wir können es nicht mehr geheim halten. Wir müssen es ihm sagen.« Am anderen Ende herrschte immer noch Stille. »Aaron? Bitte sag was.«
»Es tut mir so leid.«
Ich schluckte und spürte, wie mich die Angst packte. »Was meinst du damit?«
»Er braucht mich, Zo. Und er braucht dich.«
»Aber ich kann ihm doch nichts vormachen«, sagte ich. Tränen stiegen mir in die Augen. »Ich kann nicht am Montag in die Schule und so tun, als wäre zwischen uns nichts gewesen.«
» Bitte «, sagte Aaron. »Gib uns ein bisschen Zeit, damit wir in Ruhe überlegen können, was wir tun wollen, okay?«
»Du meinst ernsthaft, ich soll zu ihm gehen, ihn küssen und so tun, als sei alles ganz normal?«
»Ja … nein … ach, ich weiß es nicht. Hör mal, können wir uns morgen sehen?«, fragte er bittend, und ich erzählte ihm von Dots Geburtstagsfeier und dass ich ein paar Stunden allein zu Hause sein würde, weil Mum gesagt hatte, ich müsse für den Physiktest lernen. »Ich komm zu dir, und wir reden über alles«, sagte Aaron. »Wir finden schon eine Lösung, das verspreche ich dir.«
»Okay.«
Eine Weile herrschte wieder Stille, dann hörte ich ein Flüstern.
»Ich bereue es nicht, Zo. Sollte ich vielleicht, aber ich tu’s nicht.«
Ich umklammerte mein Handy. »Ich auch nicht. Kein bisschen.«
»Deine Stimme klingt anders, wenn du lächelst.«
Ich lächelte noch breiter. »Deine auch.«
»Das ist alles ein totales Chaos.«
»Ja.«
»Aber wir werden’s schon hinkriegen.«
»Ich weiß.«
»Und dann …«
»Und dann.«
»Bis morgen, Vogelmädchen.«
»Bis morgen.«
Am nächsten Tag saß ich über meinen Notizen zum Magnetismus und versuchte mich zu konzentrieren, als es an der Haustür klopfte und Aaron davorstand, in Jeans und grüner Kapuzenjacke, einen Tennisschläger in der Hand.
»Kann ich bitte meinen Ball zurückbekommen«, sagte er wie ein kleiner Junge, und ich stieß so ein bescheuertes Girlie-Qietschen aus und warf mich in seine Arme. Plötzlich verstand ich die Funktionsweise des Magnetismus besser als jemals im Unterricht. »Ich brauche den Ball aber immer noch«, sagte Aaron, als ich ihn ins Haus zog. In mein Haus, Stu. Aaron war in meinem Haus , berührte mit seinen Sneakers unseren Teppichboden, und sein Duft mischte sich mit dem Geruch von Mums Putzmitteln.
»Hast du wirklich einen Ball in unseren Garten geschlagen?«
»Übers Dach«, antwortete Aaron und demonstrierte das, wobei er einen Lampenschirm traf.
Wir rannten in den Garten hinter dem Haus und suchten den Ball, spähten in Büsche, schoben Äste beiseite. Und wir machten einen Wettkampf daraus, ein wildes Rennen, und dann entdeckten wir den Ball beide gleichzeitig neben einem Blumentopf. Mit einem spektakulären Hechtsprung schnappte ich mir den Ball, schwenkte ihn triumphierend über dem Kopf und sauste davon. Aaron holte mich ein, packte mich um die Taille und hob mich in die Luft.
»Hoch lebe das Vogelmädchen!«, rief er und trug mich durch den ganzen Garten, während ich meinen imaginären Fans zuwinkte. Dann hockten wir uns beide ins feuchte Gras. »Gut gemacht.«
»Danke«, sagte ich und deutete eine Verbeugung an. Wir ließen uns zurücksinken. Unsere Hände berührten sich, aber wir hielten uns nicht fest, weil wir die Regeln einhalten und erst noch ein Gespräch führen mussten.
»Was sollen wir also machen?«, fragte Aaron ernsthaft.
»Noch nicht«, stöhnte ich. »Noch nicht
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