Ketten der Liebe
an. Er ist tödlich und muß verbrannt werden. Seht ihn Euch nur an.«
Zaynab blickte den Schal an. Er bestand aus einem besonders schönen Stoff - aus einer leichten, weichen Wolle, die in sattem Altrosa gefärbt war, mit Fransen in einem noch leuchtenderen Rosa. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, woher sie ihn hatte und blickte Sheila an, die genauso verwirrt den Kopf schüttelte.
»Er war nicht bei den Kleidern, die Ihr aus Alcazaba Malina mitgebracht habt«, sagte Sheila. »Erinnert Ihr Euch daran, daß Ihr diesen Morgen in der Truhe nach einem Schal suchtet, weil der Tag kühl geworden war? Er lag einfach da, oben auf allen anderen Dingen. Ich habe in dem Moment nicht darüber nachgedacht, wo er herkam. Ich glaubte, daß unser Herr, der Kalif, ihn Euch gegeben hätte.«
»Herrin, ich muß Euch diese Frage stellen«, sagte der Arzt. »Könnt Ihr Eurer Dienerin trauen?«
Zaynab war entrüstet. »Wie könnt Ihr es wagen?« sagte sie kalt. »Ich würde Sheila mein Leben anvertrauen, Herr. Sie ist aus freien Stücken bei mir. Ich habe ihr angeboten, sie freizulassen und nach Alba zurückzuschicken. Sie hat sich geweigert. Sie lehnte es sogar ab, Alaeddin ben Omar zu heiraten, weil sie mich nicht verlassen wollte.« Zaynab streckte die Hand nach ihrer Freundin aus, und Sheila ergriff sie mit Tränen in den Augen. »Sheila ist mir treu ergeben. Sie würde mir niemals schaden.«
»Ich entschuldige mich bei Euch, Herrin, aber ich mußte fragen«, sagte der Arzt.
»Kann sie reisen?« warf der Kalif zur Überraschung aller ein.
»Wohin wollt Ihr sie bringen, Herr?« fragte Hasdai.
»Al-Rusafa. Dort ist sie sicher, während sie sich erholt«, erwiderte der Kalif. Wir werden in mehreren Etappen reisen, zuerst nach Alcazar in Cordoba, und am nächsten Tag nach al-Rusafa.«
»Ja«, sagte der Arzt nachdenklich, »ja, das wäre eine gute Idee, Herr. In al-Rusafa haben wir die Lage besser im Griff. Ist der Palast noch bewohnbar? Ihr seid nicht mehr dagewesen, seit der Hof nach Madinat al-Zahra umgezogen ist.«
»Ich werde sie in einem kleinen Sommerhaus im Garten unterbringen, das ganz gemütlich ist. Es ist nicht das erste Mal, daß ich ein hübsches Mädchen dorthin mitnehme«, sagte Abd-al Rahman mit einem Zwinkern in den Augen. »Es ist dort sehr friedlich«, fügte er etwas nüchterner hinzu.
»Wir müssen all ihre Kleidung verbrennen«, ordnete der Arzt an, »und all ihre Juwelen müssen in Essig gekocht werden. Wir können nicht sicher sein, daß man nicht auch andere Besitztümer Zaynabs vergiftet hat.«
Der Kalif sah, wie Zaynab vor Wut zu kochen begann. »Ich werde dir eine völlig neue Garderobe machen lassen, meine Geliebte. Außerdem gefällst du mir am besten, wie dich die Natur geschaffen hat. Es gibt niemanden, der schöner ist als du, mein Schatz Zaynab. Ich danke Allah, daß er dich nicht von mir genommen hat.«
»O, Herr, Ihr seid so gut zu mir«, antwortete sie ihm mit lieblicher Stimme, aber sie war sowohl verärgert als auch erschreckt. Iniga hatte sie vor Gift gewarnt, aber sie hatte ihre Freundin nicht ernst genommen.
Hasdai ibn Shaprut dachte im stillen, daß der Kalif dabei war, sich in sie zu verlieben, oder es jedenfalls glaubte. In den wenigen Jahren, seit er Abd-al Rahman kannte, hatte er nie ein ähnliches Verhalten gegenüber einer Frau bei ihm beobachtet. Was als blinde Leidenschaft begonnen hatte, wurde langsam zu einem weicheren Gefühl. Was Zaynab selbst anging, so glaubte er nicht, daß sie in den Kalifen verliebt war. Sie respektierte ihn, hatte vielleicht ein wenig Angst vor ihm, und barg womöglich auch ein wenig Zuneigung in ihrer Brust, aber Liebe? Nein. Ob sie überhaupt in der Lage war,
Liebe zu empfinden, das wußte er nicht, denn er kannte sie zuwenig. Verstand eine Frau, die zu so einem unnatürlichen Leben ausgebildet worden war, überhaupt, wie man liebte? Was für eine interessante Frage.
Sie war die schönste Frau, die der Arzt je gesehen hatte. Er verstand, warum der Kalif so von ihrer Jugend und Schönheit fasziniert war. Zaynab war die Liebe seines Alters, wie Abishag die letzte Liebe von König David gewesen war. Er würde wahrscheinlich sein letztes Kind mit ihr zeugen. Obwohl er über fünfzig war, war der Kalif dazu noch in der Lage, wie seine zwei jüngsten Söhne bewiesen.
»Wie geht es ihr, fragte Zahra den Arzt Hasdai ibn Shaprut. Sie hatte ihn gebeten, in ihre Gemächer zu kommen, bevor er den Harem verließ. »Was ist los mit ihr? Ist sie
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