Ketten der Liebe
schwanger?«
»Jemand hat versucht, sie zu vergiften«, sagte der Arzt ruhig. »Der Kalif ist sehr erbost. Zum Glück konnte ich sie retten.« Warum ist die erste Frau des Kalifen so besorgt? fragte er sich. Zahra kümmerte sich doch sonst nicht um Frauen, die unter ihr standen.
»Dann wird sie überleben«, sagte Zahra ruhig. »Ihr müßt mir doch zustimmen, daß er zu alt ist für solch eine Gespielin. Aber hört er auf mich? Nein! Es wäre besser gewesen, er hätte sie Hakam geschenkt, meint Ihr nicht, Herr?«
»Ich glaube, der Kalif, unser Herr, ist mit Zaynab glücklich. Ich meine, er ist gesund genug für die Leidenschaft eines jungen Mädchens«, erwiderte Hasdai ibn Shaprut. Er hatte Zahra noch nie so boshaft erlebt. Warum war sie eifersüchtig? Ihre eigene Stellung war sicher, genau wie die ihres ältesten Sohnes.
»Männer!« sagte Zahra angewidert zur zweiten Frau des Kalifen, Tarub, nachdem der Arzt gegangen war. »Sie sind alle gleich! Unser Herr setzt mit diesem Mädchen sein Leben aufs Spiel. Er denkt nicht daran, wieviel er für al-Andalus bedeutet.«
»Wenn er froh ist«, sagte Tarub weise, »ist dann sein Wert nicht noch größer für al-Andalus? Was hast du gegen Zaynab, daß deine Eifersucht so heiß in dir brennt? Bei keiner der anderen hast du je mit der Wimper gezuckt, Zahra. Dieses Mädchen hat sich von Anfang an gut benommen und sich dir höflich untergeordnet. Sie bringt keine Unruhe in den Harem. Ja, sie hält sich aus allem so sehr heraus, wie ich es nie zuvor erlebt habe. Ich habe keine Beschwerden über sie gehört, und sie scheint auch keine Fehler zu haben, die dir Kopfzerbrechen bereiten sollten. Warum mißfällt sie dir so sehr?« fragte Tarub. Sie war eine Galizierin, deren rotes Haar nun verblichen war.
»Sie mißfällt mir nicht«, widersprach Zahra. »Ich mache mir nur Sorgen um die Gesundheit unseres lieben Herrn.« Zahra war eine Katalanin. Sie kam aus einem Land, das für die rasche Auffassungsgabe seiner Bewohner bekannt war. Das war es auch gewesen, was Abd-al Rahman zuerst zu seiner ersten Frau hingezogen hatte.
»Es geht hier nicht um seine Gesundheit«, sagte Tarub ein wenig spöttisch. »Die arme Zaynab ist vergiftet worden.«
»Er liebt sie«, wimmerte Zahra fast.
»Ach, das ist es also«, erwiderte ihre Gefährtin. »Oh, Zahra, was bedeutet es schon, wenn er sie liebt?
Er liebt mich auch, und du bist nicht im geringsten eifersüchtig. Er liebt all die reizenden und weniger reizenden Konkubinen, die ihm Kinder geschenkt haben, besonders Bacea und Qumar. Und auch auf sie bist du nicht eifersüchtig. Wenn er Zaynab liebt, dann liebt er dich mehr. Er liebt dich doch am meisten von uns allen. Das war schon immer so. Hat er nicht eine Stadt nach dir benannt? Madinat al-Zahra. Es ist doch wundervoll, daß ein Mann in Abd-al Rahmans Alter noch einmal eine neue Liebe finden kann!« Sie lachte. »Gepriesen sei Allah! Wir kamen zur selben Zeit zu Abd-al Rahman, du und ich. Vor wie vielen Jahren war das? Wir waren junge Mädchen. Dein Sohn wurde nur zwei Monate vor meinem geboren. Ich verfluche Allah nicht, weil es so gekommen ist. Ich erfreue mich an meinen Kindern und Enkelkindern. Ich weiß, daß die Zeit vergeht. Du scheinst dazu nicht in der Lage zu sein, Zahra. Mit jedem Jahr wird es für dich schlimmer. Du bist kein junges Mädchen mehr. Und du wirst auch nie wieder eines sein. Ich glaube, du bist nicht so sehr eifersüchtig auf Zaynab, weil Abd-al Rahman sie liebt, sondern weil sie so jung und schön ist. Das kannst du genausowenig ändern, wie die Tatsache, daß du über vierzig bist.«
»Du bist grausam!« rief Zahra. Tränen standen in ihren Augen.
»Ich bin nur ehrlich zu dir, wie ich es immer gewesen bin, meine liebe Freundin«, antwortete Tarub.
»Ich sage dir, unser Gemahl wird dich immer am meisten lieben, Zahra, egal, wen er auch sonst noch lieben mag. Nehme diese Wahrheit an und laß deine Eifersucht fahren, damit sie nicht am Ende dich oder die andauernde Liebe Abd-al Rahmans zu dir umbringt. Willst du all diese glücklichen Jahre aufs Spiel setzen?«
Anstatt zu antworten, wandte Zahra den Kopf ab. Hatte Tarub recht? fragte sie sich. Oder sagte ihre Ehegenossin diese Dinge nur, um sie zu beruhigen? Abd-al Rahman schien sie nicht mehr zu brauchen, wie er es früher einmal getan hatte. Sie erinnerte sich daran, wie seine erste Konkubine gestorben war. Aisha war die erste Frau gewesen, mit der er je geschlafen hatte. Sie war älter als er
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