Ketten der Liebe
Liebhaber für Zaynab.
Er will lediglich ein wenig mit ihr allein sein. Das ist doch nicht ungewöhnlich. Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie wir mit ihm zum Sommerhaus geflüchtet sind? Wenn es ihr wieder besser geht, wird er sie zurückbringen. Und da al-Rusafa im Nordosten Cordobas ist und Madinat al-Zahra im Nordwesten, wird er sowieso mehr Zeit auf dem Pferd verbringen als in Zaynabs Armen.« Tarub kicherte. »Sie ist jung, und was vorgefallen ist, hat ihr vermutlich einen Schreck eingejagt. Was auch immer der Kalif ihr erzählt hat, Zaynab ist nicht dumm. Sie weiß, daß die Chance, den Attentäter zu finden, gering sind. Indem er sie mit nach al-Rusafa nimmt, beruhigt er sie und nimmt ihr ihre Angst.«
Aber Zaynab hatte keine Angst. Sie war wütend, daß jemand versucht hatte, sie umzubringen. Ihres Wissens hatte sie keine Feinde. Daher mußte es ein dummes Mädchen sein, die wirklich glaubte, wenn sie die Liebessklavin des Kalifen tötete, könnte sie seine Aufmerksamkeit für sich selbst gewinnen. Es war unwahrscheinlich, daß sie jemals erfahren würde, wer es getan hatte, aber sie hatte natürlich vor, in Zukunft achtsamer zu sein. Rasend vor Wut sah sie zu, wie ihre Kleidung weggebracht wurde, damit sie nach Hasdai ibn Shapruts Anweisungen verbrannt werden konnte.
»Es ist einfach lächerlich, daß alle meine Kleider vernichtet werden müssen«, tobte sie. »Schließlich kann nicht alles vergiftet sein! Und mein Schmuck wird ruiniert sein, wenn man ihn in Essiglösung kocht! Verdammt sei dieser Arzt, der sich in alles einmischen muß.«
»Er hat Euer Leben gerettet, Herrin«, sagte Sheila scharf. »Das ist doch sicher ein bißchen Kleidung und Schmuck wert. Außerdem hat der Kalif versprochen, Euch wie eine junge Königin auszustatten.
Die zwanzig Ballen Seide, die Donal Righ ihm geschenkt hat, sind Euch alle für Eure eigenen Zwecke zugeteilt worden.«
»Woher weißt du das?« wollte Zaynab von ihr wissen.
»Naja hat es mir gesagt«, berichtete Sheila, »und Ihr wißt doch, daß er alles erfährt, was hier im Palast vorgeht. Er weiß sogar, daß Zahra eifersüchtig auf Euch ist. Er ist mit einem der Mädchen in den Gemächern der Lieblingsfrau befreundet.«
»Glaubst du, sie hat mich vergiftet?« fragte Zaynab.
»Möglich ist alles«, sagte Sheila und schüttelte den Kopf, »aber ich glaube nicht. Selbst wenn die Gefahr, ertappt zu werden, sehr gering ist, würde die Täterin ihr Leben verlieren, wenn sie entdeckt würde. Ich glaube nicht, daß Zahra ihre Stellung aufs Spiel setzen würde, nur weil sie eifersüchtig ist und sich langsam als fühlt. Nein, es war vermutlich jemand unbedeutendes.«
Sie brachen nach al-Rusafa auf. Zusammen mit dem Kalifen reisten sie zunächst auf der Straße von Madinat al-Zahra nach Cordoba. Zaynab war von der Größe der Hauptstadt überwältigt und bat um die Erlaubnis, sie ansehen zu dürfen.
»Du darfst mit Naja und einer geeigneten Wache gehen«, gestattete Abd-al Rahman. »Wenn ich auf den Straßen zu sehen bin, werden wir von Neugierigen umgeben sein. Indem ich Abstand zum Volk halte, sichere ich mir ihren Respekt.«
»Erzählt mir etwas über die Geschichte der Stadt«, bettelte sie. Er lachte.
»Jede andere Frau, die ich kenne, hätte wissen wollen, wo der nächste Basar ist, auf dem sie sich etwas kaufen kann. Aber du willst etwas über die Geschichte Cordobas erfahren. Nun gut, mein Liebling, dann werde ich dir davon erzählen. Cordoba wurde von einem Volk gegründet, das sich Karthager nannte. Dann eroberten es die Römer in den Tagen ihres großen Weltreiches. Als nächstes hatten die Goten die Stadt in ihrer Gewalt, und wir haben sie ihnen vor zweihundert Jahren abgenommen. Hier leben Hunderttausende von Menschen. Wir haben unzählige Moscheen, mehrere Hochschulen und eine öffentliche Bibliothek mit über sechshunderttausend Büchern. Hasdai würde es gerne sehen, wenn wir hier eine medizinische Hochschule gründeten, und nach und nach werden wir das wohl auch tun, denn ich stimme ihm zu. Im Augenblick müssen alle angehenden Ärzte zu ihrer Ausbildung nach Bagdad reisen.«
Zaynab ließ sich mit Sheila und Naja in einer Sänfte in die Stadt bringen. Sie war bis auf die Augen verhüllt, und geeignete Wachen umgaben sie. Sie wußte nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte. Alles war so aufregend, so interessant, so geschäftig! Als sie mit Karims Schiff in Cordoba angekommen waren, hatte man sie sofort auf eine Barke geschafft, die sie den
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