Ketten der Liebe
gewesen.
Aisha war ein Geschenk des alten Emirs Abdallah gewesen. Abdallah war der Großvater des Kalifen, der ihn aufgezogen hatte. Abd-al Rahman hatte Aisha wirklich gern gehabt. Sie hatte ihn in die Kunst der Erotik eingeführt, aber sie war auch seine treue Freundin gewesen. Lange, nachdem ihre Liebesabenteuer aufgehört hatten, besuchte er sie noch oft in ihren Gemächern, und er hatte immer eine hohe Meinung von ihr. Als Aisha im Sterben lag, veranlaßte sie, daß ihr riesiges Vermögen dazu verwendet werden sollte, muslimische Männer und Frauen, die in christlichen Ländern gefangen gehalten wurden, freizukaufen. Es wurden aber nur so wenige gefunden, daß Abd-al Rahman nicht wußte, was er mit dem restlichen Geld anfangen sollte. Was auch immer es war, er wollte, daß es etwas wäre, dem Aisha zugestimmt hätte. Es war Zahra gewesen, die vorschlug, er solle eine neue Stadt bauen.
Es war mehr ein befestigter Ort als eine Stadt. Sie sollte an einem Hang der Sierra Morena im Nordwesten von Cordoba liegen, wo sie den Guadalquivir überblickte. Man hatte mit ihrem Bau vor fast zehn Jahren begonnen, und sie war immer noch nicht fertig. Es gab drei Ebenen. Die erste war bereits bebaut und beherbergte den königlichen Palast. Zehntausend Arbeiter und fünfzehnhundert Lasttiere - Maultiere, Esel und Kamele - wurden jeden Tag für den Bau eingesetzt. Täglich wurden sechstausend Steine für die Gebäude und Stadtmauern zurechtgehauen. Von Osten nach Westen war die Stadt eine ganze Meile breit, und von Norden nach Süden maß sie eine halbe Meile. Unter der königlichen Residenz befand sich eine Terrasse, die aus Gärten, Obstplantagen, einem Zoo für die seltenen Tiere des Kalifen und Käfigen voller wunderbarer Vögel bestand. Das untere Niveau der Stadt beherbergte die Amtsgebäude, Paläste der wichtigen Leute, die dem Hof angehörten, öffentliche Badeanstalten, Werkstätten, Waffenlager, die Münze, Kasernen für die königliche Garde und eine Moschee.
Obwohl Zahra den Kalifen am Anfang bei seinen Ausflügen zu den Baustellen begleitet hatte, überraschte er sie an dem Tag vollkommen, als er die Residenz von Cordoba dorthin verlegte. Als sie auf das Eingangstor zukamen, riet er ihr, nach oben zu sehen. Sie tat es und sah ihre in Marmor gehauene Büste über dem Eingang der Stadt. Sie blickte ihn wortlos an, und er teilte ihr mit, daß der Name der neuen Stadt Madinat al-Zahra wäre, die Stadt Zahras.
»Aber sollte sie nicht Madinat al-Aisha heißen, nach Eurer alten Freundin, deren großes Vermögen das Fundament für den Bau der Stadt bildete?« fragte sie ihn. Ihr Herz schlug vor Aufregung. Sie wußte, daß er diesen Vorschlag ablehnen würde, denn er liebte sie mehr als alle anderen Frauen. Aber Aisha zu Ehren hatte sie das Gefühl, die Frage stellen zu müssen. Bei Allah! War je eine Frau so geehrt worden?
Nun jedoch hatte Abd-al Rahman einen neuen Lebenszweck gefunden. Die Liebessklavin Zaynab nahm ihn ganz in Anspruch, wie es schien. Zahra seufzte. Sie steigerte sich wieder in einen Eifersuchtsanfall hinein. Hatte Tarub recht? Tarub war keine Lügnerin, sie belog nicht einmal sich selbst. Sie war gütig, sachlich, und manchmal fast zu ehrlich.
Trotzdem fühlte Zahra jedes Mal, wenn sie Zaynab ansah, wie eine unbezähmbare Wut in ihr aufstieg.
Sie schien dagegen machtlos zu sein. Welches Recht hatte das Mädchen, ihr den Kalifen wegzunehmen? Und was geschah, wenn Zaynab ein Kind bekam? Nicht, daß sie wirklich erwartete, daß irgendein Kind einer anderen Frau ihres Mannes ihren Sohn Hakam verdrängte. Abd-al Rahman hatte immer sehr deutlich gemacht, daß Hakam nach ihm Kalif werden sollte. Aber was, wenn er seine Meinung änderte? Wenn er beginnen sollte, Zaynab mehr zu lieben? Sie lachte zittrig. Warum machte sie sich solche Sorgen? Weder ihre hohe Stellung noch ihr Sohn waren in Gefahr. Aber sie wußte es nicht genau. Ein älterer Mann, der sich in ein junges Mädchen verliebte, könnte Dummheiten begehen.
Ihre Wut wurde nicht durch das Wissen gelindert, daß Zaynab und ihre Diener nach al-Rusafa gebracht werden sollten. »Wer ist ihr hier so gefährlich, daß er sie nach al-Rusafa bringen muß?« sagte sie verbittert zu Tarub. »Es ist lächerlich! Einfach lächerlich!« Zahra stieg die Zornesröte ins Gesicht.
Tarub versuchte, ihre Freundin zu beruhigen. Ihre warmen, braunen Augen waren voller Mitgefühl.
»Mach dich doch nicht verrückt, Zahra. Der Kalif spielt doch nur den besorgten
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