Ketten der Liebe
eingenommen hätte. Aber wenn sie es nicht täte, würde Ian Ferguson herausfinden, daß seine Braut nicht unberührt war. MacFhearghuis würde Gruoch ohne einen weiteren Gedanken töten, wie ihre Mutter es gesagt hatte. Regan kannte die Geschichte ihrer Geburt gut und wußte, wie die alte Bridie ihr Leben gerettet hatte, indem sie Ferguson davon überzeugt hatte, daß Mädchen ihm keinen Schaden zufügen konnten.
Regan seufzte und beugte sich vor, um einen kleinen, flachen Stein aufzuheben, den sie gekonnt über die rauhe Oberfläche des Wassers hüpfen ließ. Sie ging langsam am Ufer entlang und dachte über ihre Zukunft nach. Sie war in ihrem Leben noch nie mehr als ein oder zwei Meilen von Ben Mac-Dui fort gewesen, doch der Ort, an den man sie schicken wollte, lag weit weg von ihrer Heimat Alba, an der entferntesten Küste Strathclydes. Sie würde Ben MacDui oder ihre Zwillingsschwester nie wiedersehen. Tränen traten ihr in die Augen. Trotz ihres unterschiedlichen Standes hatte sich Gruoch ihr gegenüber immer liebevoll verhalten. Was die anderen anging, so konnte keiner außer Sorcha die Zwillinge auseinanderhalten. Daher hatte jeder sie freundlich behandelt, denn sie waren sich nie sicher, welche von beiden Gruoch, die Erbin, und wer Regan, die unwichtige Tochter, war. Nun würde ihr nichts bleiben als ihre Erinnerungen. Aber gab es wirklich noch mehr im Leben? Würde sie es je erfahren?
Ein Regentropfen fiel auf ihre Wange. Als sie aufblickte, sah Regan, wie sich die Sturmwolken des Frühlings über den Hügeln um den See sammelten. Sie eilte zurück ins Haus und traf Gruoch vor dem Feuer sitzend an. »Hast du einen Boten zu MacFhearghuis gesandt?« fragte Regan ihre Zwillingsschwester. »Er wird von Malcolms Geburt und dem Zustand unserer Mutter wissen wollen.«
»Nein, ich habe noch niemanden hingeschickt«, antwortete Gruoch. »Ich habe hier gesessen und gedacht, wie seltsam es sein wird, meine Mutter nicht mehr bei mir zu haben. Ich werde ganz allein sein, wenn du weg bist, meine Regan. Ich kann den Gedanken nicht ertragen.«
»Du wirst einen Mann und Kinder haben, um deine Tage zu füllen, Gruoch«, widersprach Regan. »Ich bin diejenige, die nichts haben wird. Ich glaube, was ich über dieses Kloster gehört habe, gefällt mir nicht besonders. Aber andererseits, welche andere Wahl haben wir, als das Schicksal zu tragen, das MacFhearghuis bei unserer Geburt über uns verhängt hat? Wir werden es warm und trocken haben, und wir werden immer genug zu essen haben. Aber ich frage mich, ob das ausreicht?«
»Es gibt auch noch die Liebe«, sagte Gruoch leise.
»Ich weiß gar nicht, was Liebe ist«, bekannte Regan. »Mich hat noch nie jemand geliebt, außer dir vielleicht. Die Jungen trauen sich noch nicht einmal, mich anzulächeln, weil sie Angst haben, ich könnte du sein, oder weil sie befürchten, ich sei ich und soll sowieso Nonne werden.« Sie lachte fast traurig. »Was ist Liebe? Sie bedeutet mir nichts, Gruoch, aber wenn sie etwas Gutes ist, dann wünsche ich sie mir für dich, meine Schwester. Du sollst sie im Überfluß haben!«
»Vielleicht habe ich nicht mehr die Gelegenheit, es dir zu sagen, wenn MacFhearghuis erst einmal hier ist, aber ich danke dir für dein Opfer, Regan MacDuff«, sagte Gruoch.
»Ich würde es nicht tun, wenn es nicht für dich wäre«, erwiderte Regan ernst. »Aber du bist ein Teil von mir, Gruoch. Daran kannst du nicht zweifeln. Es gibt ein Band zwischen uns, und wenn es in meiner Macht steht, will ich verhindern, daß dir ein Leid geschieht. Ich glaube, daß es falsch von unserer Mutter war, dich zu diesem Plan zu überreden. Er wird unseren Vater auch nicht zurückbringen. Deine Heirat wird die MacDuffs aus Ben MacDui und die Fergusons aus Killieloch vereinigen. Ist es dir nie in den Sinn gekommen, daß unser Vater die Fehde zwischen unseren Familie vielleicht durch so eine Ehe beendet hätte, wenn er länger gelebt hätte?«
»Aber er hat nicht überlebt. Er wurde von den Fergusons ermordet«, erwiderte Gruoch scharf. »Ich werde ihn rächen, und unsere arme Mutter auch, die Ferguson ebenfalls auf dem Gewissen hat. Und was ist mit dir, Regan MacDuff? Ferguson hat dich zu einem unfruchtbaren Leben ohne Liebe verdammt. Soll diese Tat ungesühnt bleiben?«
Kapitel 2
Schließlich schickte man doch nach MacFhearghuis, und er kam sofort. Er bewunderte seinen jüngsten Sohn, den tobenden Malcolm, bemerkte Sorchas schlechter werdenden Zustand und befahl, daß die
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