Ketten der Liebe
Zeit auf Sorchas Lippen. Dann gehörte ihre Aufmerksamkeit wieder ganz Gruoch.
Oh, du Hexe, dachte Regan im stillen. Du hast uns beide geopfert, um deine Rache zu haben, und jetzt läßt du uns allein, wo wir beide, die wir immer nur uns hatten, für uns selbst kämpfen müssen. Ich frage mich, was mein Vater von dem, was du getan hast, wirklich gehalten hätte, Sorcha MacDuff.
Regan war so sehr in ihre Gedanken vertieft, daß sie kaum mitbekam, was um sie herum geschah.
Plötzlich sah sie, daß ihre Mutter erleichtert aufatmete. MacFhearghuis klopfte seinem ältesten Sohn auf den Rücken. Gruoch spielte die errötende Braut. Die Hochzeitszeremonie war vorüber, und die Dudelsäcke hatten zu spielen angefangen. Als die Bediensteten den Wein unter den versammelten Gästen herumreichten, traten die Schwestern zu ihrer schwächer werdenden Mutter und MacFhearghuis an die hohe Tafel, während der Bräutigam und seine Brüder für sie tanzten.
Was auch immer Sorcha MacDuff von den Fergusons halten mochte, Regan mußte zugeben, daß sie allesamt gutaussehende Burschen waren, mit ihrem rotbraunen Haar und den blauen Augen. Sie waren alle gleich gekleidet. Sie trugen eine Bahn des Ferguson-Plaids um ihre Hüften. Der dunkelblaue, grüne, rote und weiße Stoff wurde von breiten Ledergürteln zusammengehalten. Unter den offenstehenden weißen Leinenhemden sah man den dichten Haarwuchs, der auf der Brust eines jeden Mannes, außer des jüngsten, prangte. Ihre Fußbekleidung war bis zur Mitte ihrer wohlgeformten Beine hochgebunden. Die Schuhe des Bräutigams waren aus Leder, die seiner Bruder aus einem schweren, wasserfesten Stoff. Lautstark gaben sie Toast um Toast auf ihren Bruder und seine junge Frau aus, sogar dann noch, als sie für die Gäste tanzten.
Ein Hustenanfall schüttelte Sorcha, und nachdem ihre Tochter ihr einen schmerzlindernden Trank verabreicht hatte, stieß sie hervor: »Das Bett. Du mußt dafür sorgen, daß Gruoch für das Bett vorbereitet wird, bevor ich sterbe! Nimm deine Schwester, Regan, und kümmere dich darum, denn ich kann es nicht mehr.«
Die zwei jungen Frauen schlüpften von der hohen Tafel fort. MacFhearghuis und die anderen Gäste waren so sehr damit beschäftigt, dem Bräutigam und seinen Brüdern zu helfen, einen besonders zotigen Trinkspruch zu erfinden, daß sie es kaum bemerkten. Die Zwillinge rannten so schnell sie konnten die Turmstufen hinauf zum Schlaf gemach, das man während der Zeremonie für die Jungvermählten vorbereitet hatte. Eilig zog Gruoch ihr Brautkleid aus und ersetzte es durch Regans Kleidung. Sie flocht sich hastig das Haar.
»Muß ich nackt auf ihn warten?« fragte Regan ihre Schwester, als sie in ihrem Leinenunterhemd dastand und ihre eigenen goldenen Locken mit flinken Fingern bürstete.
»Ja«, sagte ihre Schwester. »Es spart Kleidung, meine Regan. Er wird sie dir nur herunterreißen, wenn du welche anhast, fürchte ich.«
»Gruoch«, verbesserte ihre Schwester sie. »Ich bin Gruoch und du bist jetzt Regan«, sagte sie warnend.
»Spring ins Bett«, sagte die falsche Regan zu ihr. »Ich höre sie schon die Treppe vom Saal hochkommen. Mutter hat uns nicht viel Zeit gegeben, was? Sie wird sterben, bevor die Nacht vorbei ist, glaube ich.«
Die falsche Braut war noch nicht ganz ins Bett geklettert, da wurde die Tür der kleinen Kammer schon von den Fergu sons aufgestoßen, so daß sie beinahe aus den Scharnieren gebrochen wäre. Ein nackter Ian Ferguson wurde von seiner Familie in die Kammer gestoßen.
»Erfülle bei dem Mädchen deine Pflicht, Ian«, sagte sein Vater laut. Dann langte er nach vorne und zog die Ausgetauschte aus dem Raum. »Das ist hier kein Ort mehr für dich, meine kleine Nonne«, sagte er zu ihr.
Gruoch war verblüfft. Sie hatte sich nie ausgemalt, daß Ian Ferguson so ... so ... gut proportioniert sein würde. Jarnie MacDuff war ein guter Liebhaber, aber Ian Fergusons üppige Männlichkeit versprach viele angenehme Stunden. Vielleicht hatte Regan recht. Ihre Mutter würde bald tot sein. Die Fehde war vorbei. Ihr MacDuff-Kind würde erben, und damit wäre die Rache der MacDuffs gesichert. Aber sie, Gruoch, würde zufrieden sein, den Frieden zwischen ihren beiden Clans wachsen zu sehen, wie MacFhearghuis es von vornherein geplant hatte. Was ihre Zwillingsschwester anbelangte, so würde sie in aller Eile nach St. Maire geschickt, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen würde, wenn Gruoch sich erst einmal sicher war, daß Ians Bemühungen
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