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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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eingerichtet. Leiter des computerfreien Rechenzentrums von Los Alamos wird der erst 25-jährige, unter Genieverdacht stehende Princeton-Physiker Richard Feynman. Oppenheimer hält eine pep speech und enthüllt den Wissenschaftlern Grund und Ziel ihrer Anwesenheit im geheimen Labor auf dem «Hügel» von Los Alamos. Zwar seien sie zu strikter Geheimhaltung verpflichtet, selbst gegenüber ihren Ehepartnern und Familien, dennoch garantiere er innerhalb des eingezäunten Geländes den uneingeschränkten wissenschaftlichen Gedankenaustausch – eine dem wenig begeisterten General Groves hartnäckig abgerungene Zusicherung.
    Oppenheimers Protegé Robert Serber fasst in seinen ersten von fünf Vorträgen das bisher angehäufte Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen über die Bombenkonstruktion zusammen. Dann werden die Aufgaben an die Arbeitsgruppen verteilt. So sollen beispielsweise John Manley und seine Leute einen Stoff finden, der das spaltbare Material wie ein Mantel umgeben und zusammenhalten soll. Gleichzeitig muss er aber auch die Vorgabe erfüllen, die Neutronen, die entkommen wollen, in den Bombenkern zurückzustreuen, um die Effizienz der Kettenreaktion zu erhöhen. Selbst wenn sich Gold als ideale Hülle herausstellen sollte, so ruft man Manley noch hinterher, würde es genehmigt werden, da der exorbitante Herstellungspreis des Bombenstoffs jedes Edelmetall ohnehin billig erscheinen ließe.
    Enrico Fermi lebt zwar noch nicht auf der Mesa, aber auch er ist gekommen und überrascht Robert Oppenheimer mit einem ungewöhnlichen Vorschlag. Offenbar hat er sich in Chicago von Wigners und Szilards fixer Idee anstecken lassen. Die beiden Ungarn werden unablässig von der nervösen Angst angetrieben, die Deutschen könnten den amerikanischen Atomforschern um ein kriegsentscheidendes Jahr voraus sein. Den Skeptiker Fermi plagen Zweifel an der rechtzeitigen Realisierbarkeit der Kernspaltungsbombe. Sobald der Hanford-Reaktor den Betrieb aufnehme, spekuliert Fermi, fielen doch schon einmal hochradioaktive Spaltprodukte an, die bei einer Kettenreaktion zwangsläufig auftreten. Damit ließe sich die deutsche Nahrungsmittelversorgung wirksam angreifen, zumal ein Konsument die radioaktive Verseuchung von Weizen und Kartoffeln weder erkennen, noch schmecken oder riechen könne. Das radioaktive Spaltprodukt Strontium-90 sei in dieser Hinsicht vielversprechend, bestätigt Edward Teller, den Oppenheimer ins Vertrauen zieht. Der menschliche Körper identifiziere es nämlich als Kalzium und speichere es in den Knochen, was unweigerlich zu Knochenkrebs führe. Oppenheimer bespricht die Idee mit Leslie Groves und schreibt im Mai an Fermi: «Wir sollten nur dann einen Plan in Angriff nehmen, wenn wir auch genug Nahrungsmittel verseuchen können, um eine halbe Million Menschen zu töten, denn es besteht kein Zweifel, dass die Zahl der tatsächlich Betroffenen infolge ungleichmäßiger Verteilung viel niedriger liegen wird» [Rho:520].
     
    Im Sommer 1943 ordnet Brigadegeneral Leslie Groves die verstärkte Überwachung eines Mannes an, den er für einen deutschen Spion hält: «Alter 35 oder 40 Jahre, Größe knapp 1 Meter 70, rosige Gesichtsfarbe, buschiges braunes und glatt nach hinten gekämmtes Haar mit Neigung zur Lockenbildung, leichtes Hinken im rechten Bein, was leichtes Herabhängen der Schulter zur Folge hat, fliehende Stirn …» [Rho:515], beschreibt ihn ein FBI-Agent und hat den Eindruck, als sei «das Subjekt sich seiner Verfolger durchaus bewusst». Kein Wunder, wenn ihm eines Morgens sechs auffällig Desinteresse vortäuschende FBI-Agenten im Hotel beim Frühstück zuschauen. Leo Szilard weiß auch längst, dass seine Post geöffnet wird. In einem Brief an seine aus Österreich stammende Freundin Trude Weiß macht er sich über den Zensor lustig. Er spricht ihn direkt an und beschuldigt ihn, die Süßigkeiten geklaut zu haben, die er ihr kürzlich geschickt habe. Manchmal schaffen es selbst vier Verfolger nicht, Szilard auf seinen ausgedehnten Fußmärschen und Taxifahrten quer durch die Stadt zu folgen. Gelingt es ihnen gerade noch, das Ziel seiner morgendlichen Taxifahrt herauszufinden und dort auf ihn zu warten, ändert der vermeintliche Spion während der Fahrt spontan seine Meinung und lässt sich beim nächsten Friseur, vor einem Delikatessenladen oder an seinem Lieblingsrestaurant absetzen. Die Person spreche gelegentlich in einer fremden Sprache, wirke oft zerstreut und exzentrisch, berichten die Beschatter.

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